Granma – Posaunen aus Havanna

„Die Revolution frisst ihre Kinder“, lautet ein geflügeltes Wort aus Georg Büchners „Dantons Tod“. Bei weitem nicht so blutig wie unter der Guillotine der Französischen Revolution ging es heute bei der Premiere von „Granma – Posaunen aus Havanna“ zu. Aber auch hier fällt die Bilanz der Revolution ernüchternd aus. Die hochfliegenden Träume von Commandante Ché Guevara, dessen ikonisches Poster auch an diesem Abend im Gorki Theater nicht fehlen darf, und seinen Mitstreitern platzten schnell.

Davon erzählen die Dokumentartheater-Experten von „Rimini Protokoll“ mit gewohnt akribischer Recherche. Ihr Kniff ist, dass diesmal nicht die mittlerweile betagten, oft schon verstorbenen Zeitzeugen zu Wort kommen, sondern vier Thirtysomethings aus der Enkelgeneration.

Milagro Álvarez Leliebre, Daniel Cruces-Pérez, Christian Paneque Moreda und Diana Sainz Mena nehmen uns mit auf eine Zeitreise und berichten davon, wie ihre Großeltern die Aufbruchstimmung der Revolution und die spätere Erstarrung der Ein-Parteien-Diktatur bis hin zum rapiden ökonomischen Verfall nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und dem Embargo der USA erlebten.

Ausgerechnet nach Guantánamo, das damals noch ein unbekannter US-Militärstützpunkt auf Kuba war und nicht das Gefängnis für „feindliche Kombattanten“, die im Anti-Terrorkampf ohne fairen Prozess interniert wurden, floh Nidia, wie ihre Enkelin Milagro in einer der ersten Szenen des Abends berichtet. Die folgende Stunde schwelgt nostalgisch in den Erinnerungen an die Frühphase der Revolution, bevor sich in der zweiten Hälfte mehr und mehr Ernüchterung breit macht: Stellvertretend dafür steht beispielsweise das Schicksal von Daniels Großvater, ein ehemaliger Minister und Parlamentspräsident, der in Ungnade fiel, als Botschafter in Bulgarien auf das Abstellgleis geriet, bevor er schließlich als Müllmann zurück nach Kuba ging. Milagro, deren Großmutter als Sklavin auf Jamaika geboren wurde und nach Kuba floh, zieht das ernüchterte Fazit, dass sie auch heute noch wegen ihrer schwarzen Hautfarbe diskriminiert wird.

Der Abend endet mit dem ernüchterten Blick der vier Protagonist*innen auf die Großleinwand, auf der Bilder von der Rennstrecke flimmern, die schon zu Zeiten des Diktators Batista für die Formel 1 genutzt wurde. Autos brettern an einer unwirtlichen Trabantensiedlung vorbei. Der Traum von einem „neuen Menschen“ ist auf der planierten Straße krachend zerschellt, stattdessen winkte Hollywood erfolgreich mit dem Angebot, hier Szenen seines Popcorn-Kino-Blockbusters „Fast and Furious“ zu drehen. Die vier träumen zwar von einer besseren Zukunft und einem neuen Anlauf für eine gerechtere Welt. Ihre Ideen bleiben aber vage, die Hoffnung ist mehr Autosuggestion als faktenbasiert.

Rimini Protokoll und die vier Protagonist*innen erzählen ihre „dokumentarische Zeitreise“ (so auch der Untertitel des Abends) über weite Strecken zu sehr im Stil des klassischen Geschichts-Frontal-Unterrichts. Die Idee, dass alle vier gemeinsam Posaune spielen, und der Running-Gag, dass Christian immer wieder eine Baseball-Attrappe ins Publikum drischt, zählen zu den seltenen Versuchen, den sehr materialreichen Abend szenisch aufzulockern. Über die meiste Zeit der mehr als zwei Stunden ist das Publikum ansonsten damit beschäftigt, die Untertitel-Übersetzungen der spanischen Informationsflut mitzulesen.

Bild: Esra Rotthoff

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