Elektra

Die Stahlkonstruktion, die Ulrich Rasche für seine „Elektra“ aufgebaut hat, nimmt fast die gesamte Höhe und Breite der Residenztheater-Bühne ein. Die Leitung des Theatertreffens und die Bühnenarbeiter dürften mindestens ebenso ins Schwitzen geraten wie der Chor, der festgekettet auf der Drehbühne marschiert und schreit, falls Rasche mit dieser Münchner Inszenierung zum vierten Mal in Folge zum Theatertreffen 2020 eingeladen werden sollte. Es wäre sicher eine Herausforderung, diesmal eine passende Gastspielstätte in Berlin zu finden.

Auffällig bei dieser „Elektra“ ist, dass sich langsam ein Abnutzungs-Effekt einschleicht. Ulrich Rasches Überwältigungstheater mit großen Maschinen, die erbarmungslos vor sich hin walzen, und den kleinen Menschlein, die auf den sich hebenden und senkenden Bühnen gegen ihr Schicksal anschreien, hat sich zu einer Marke mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt.

Trotz der diesmal erstaunlich kurzen Länge von nur zwei Stunden stellt sich öfter ein Déjà-vu-Effekt ein, das alles so ähnlich schon mehrfach gesehen zu haben. Für Rasche-Neulinge ist der Abend sicher ein Erlebnis, für Rasche-Kenner fügt sich die „Elektra“ recht überraschungsarm ins Gesamtwerk ein.

Dass der Abend dennoch funktioniert, liegt an starken Schauspieler*innen, die sich eindringliche Duelle liefern. Katja Bürkle, die sich mit schon aus der „Räuber“-Aufzeichnung bekannten langen Speichelfäden in ihre Rolle wirft und am Ende fast nackt aussetzt, ist eine Gift und Galle spuckende „Elektra“, die den Vatermord rächen will und ihrer angepassten Schwester Chrysothemis (Lilith Hässle) und ihrer Mutter Klytämnestra (Juliane Köhler) die Leviten liest, bevor sich ihr totgeglaubter Bruder Orest (Thomas Lettow) zu erkennen gibt.

Schlüsselsätze werden von einem diesmal überwiegend weiblichen Chor repetiert, der den Spieler*innen dicht auf den Fersen bleibt. Verstärkt von Live-Musik werden Hugo von Hofmannsthal Verse loop-artig in die Hirne gehämmert.

Bilder: Thomas Aurin

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