Die Hand ist ein einsamer Jäger

Katja Brunners feministischer Rundumschlag „Die Hand ist ein einsamer Jäger“ zählt zu den zeitgenössischen Stücktexten, die wirklich etwas zu sagen haben. Manchmal ist ihr Text zu sprunghaft-assoziativ, aber viele Passagen sind stark. Der Monolog von der übergriffigen Hand, die in die Hose eindringt, gehört auf jeden Fall dazu. Auch der Chor der Bulimikerinnen, der in einem Stakkato-Wortschwall in den Gender Gap kotzt und dabei auf der Bühne von Linda Vaher mit unnachahmlich irrem Blick, der jedem Zombie-Splatter-Film Ehre machen würde, ist hier unbedingt zu nennen.

Da die Schweizer Autorin keine Unbekannte ist und beispielsweise auch schon mit dem Mülheimer Dramatikerpreis (2013 für „Von den Beinen zu kurz“) ausgezeichnet wurde, verwundert es, dass ihr neuer Text längere Zeit herumlag, bevor ihn Pinar Karabulut zur Uraufführung brachte. Der Stücktext „Die Hand ist ein einsamer Jäger“ muss sich garantiert nicht verstecken, hat deutlich mehr Substanz als die Uraufführungen von Moritz Rinke oder Ferdinand Schmalz, die am DT in dieser Spielzeit zu erleben waren, und vom Autorenprogramm des Berliner Ensembles trennt ihn ein Klassenunterschied.

Karabulut bekam den Text, der auch auf großer Bühne bestehen könnte, bei der Uraufführung im 3. Stock der Volksbühne nicht richtig in den Griff. Popfeministisch umtänzeln ihn die jungen Spieler*innen, zwei von ihnen (Malik Bauer und Paula Kober) gehören zum neuen Ensemble sehen, das Klaus Dörr vorgestellt hat. Außerdem spielen an diesem Abend Elmira Bahrami und Linda Vaher, die beide schon am Gorki Theater gastierten, und der Ernst Busch-Student Skye MacDonald, der mit seinem Jahrgang in der „Antigone des Sophokles“ am BE zu sehen ist.

Die knapp 90 Minuten ziehen sich gegen Ende ziemlich in die Länge. Manche Gags kommen nicht mehr über recht flaches Niveau hinaus, z.B. wenn die Spieler*innen gemeinsam mit einem aus der zweiten Publikumsreihe zwangsrekrutierten Zuschauer symbolisch eine Muschi küssen und eine Hostie als Absolution für die Sünden des Patriarchats empfangen.

Fazit: Es wäre lohnend, den Text noch einmal mit einem anderen, entschiedeneren Regie-Zugriff zu sehen. Katja Brunners Drama ist so stark, dass es hoffentlich nicht einfach – wie so viele andere neue Stücke – in der Versenkung verschwindet. Pinar Karabulut konnte bei ihrer ersten Arbeit in Berlin noch nicht überzeugen. Es wäre interessant, frühere, hochgelobte Arbeiten als Gastspiele an die Volksbühne einzuladen.

Bilder: Vincenzo Laera

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