Mit einem starken Schlussbild endet Stefan Puchers „Lulu“ an der Volksbühne: Lilith Stangenberg (in der Titelrolle) und Sandra Gerling (als die lesbische Gräfin Geschwitz) räumen mit ihrem Revolver die beiden letzten verbliebenen Männer aus dem Weg, die an diesem Abend nur Staffage und klischeehafte Witzfiguren dienten. Von der Bühne flüchten sie hinaus ins Foyer und auf den Rosa-Luxemburg-Platz.
Die Videobilder der beiden Frauen, die ausbrechen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, sind sicher reichlich plakativ, aber endlich ein vielversprechender Ansatz, wie man den angestaubten, mehr als ein Jahrhundert alten Stoff von Frank Wedekind inszenieren könnte.
Aber leider kommt diese starke Szene zu spät: sie ist der Schlusspunkt nach zwei Stunden, die über weite Strecken zäh und uninspiriert abgespult wurden. Dem Abend ist sichtlich das Unbehagen von Regisseur Stefan Pucher und seinem Team anzumerken, die mit dem nur noch selten gespielten Stück über eine weibliche Projektionsfläche von Männerphantasien wenig anzufangen wussten.
Lilith Stangenberg, eine der prägenden Spielerinnen der Castorf-Spätphase an diesem Haus, kann den bleiernen Abend, der auf sie zugeschnitten ist, auch nicht im Alleingang stemmen. Sie wechselt fast im Minutentakt ihren Look und hat in der zweiten Hälfte einige mitreißende Songs, die von drei Live-Musiker*innen (Réka Csiszér, Michael Mühlhaus, Sarah Maria Sander) begleitet werden.
Ansonsten bleibt der von zahlreichen Gästen und wenigen Ensemble-Neumitgliedern der Volksbühne getragene Abend mutlos an der Wedekind-Vorlage kleben, die mit Fremdtexten (u.a. von der französischen Feministin und Bestsellerautorin Virginie Despentes, mit der sich Stefan Pucher zuletzt an den Münchner Kammerspielen befasst hat) aufgehübscht werden. Wie André Mumot auf Deutschlandfunk Kultur nach der Premiere zurecht kritisierte, wirken diese Einschübe wie „überanstrengte und merkwürdig passionslose Pflichtübungen“.
Bilder: Julian Röder