Um die mythische Figur, die als Strafe für ihre Hybris im Kaukasus an einen Felsen gekettet ist, wo ein Adler die ständig nachwachsende Leber frisst, geht es in Bastian Reibers „Prometheus“-Projekt im Studio der Schaubühne nur am Rande: Ganz am Anfang rattert Carol Schuler die Genealogie dieser Figur herunter, Bastian Reiber steht verschmitzt lächelnd daneben und fällt vor allem durch seine Wissenslücken auf. Dieser Prometheus, mit dem er so wenig anzufangen weiß, wird in den kommenden 90 Minuten konsequenterweise in die Kulissen verbannt. Erst ganz zum Schluss kommt das regieführende Schaubühnen-Ensemble-Mitglied zurück auf die kleine Bühne und wird von den drei Spieler*innen mit Klebeband fixiert.
In der Zwischenzeit erleben wir stattdessen eine sommerliche Fingerübung zum Spielzeitfinale, eine Herbert Fritsch-Light-Inszenierung im Geist und Stil des Mentors, in dessen Inszenierungen die vier Akteur*innen des Abends seit Jahren zu erleben sind: Florian Anderer zappelt quecksilbrig durch die Gegend, wirft ratlose, verzweifelte Blicke in die Runde und hält sinnfreie Monologe über Getreidesorten. Carol Schuler starrt regungslos ins Leere und legt eine tolle Gesangseinlage aufs Parkett. Beide tragen enge, unvorteilhaft an einigen Stellen zu Fatsuits ausgepolsterte beigefarbene Anzüge. In der letzten halben Stunde kommt Axel Wandtke dazu, mimt ein ölverschmiertes Monster, vor dem die beiden anderen fliehen und schlüpft in die Rolle des Ex-Tennis-Stars Andre Agassi, der vergeblich sein Haarteil sucht.
Dieser Mix aus Slapstick, Körperakrobatik und Dada trägt nicht über 90 Minuten. Die Fußstapfen des Meisters Herbert Fritsch sind für seinen Schüler Bastian Reiber bei seinem Schaubühnen-Regie-Debüt noch ein ganzes Stück zu groß.
Bilder: Thomas Aurin
Gregor Hilsberg
Vielleicht hat Herr Aurin nicht das Gespür oder genug Wissen für Prometheus ware Errungenschaft: Die Erschaffung des Menschen, die hier im Mittelpunkt steht. Wer aufgedrückte Metaphern braucht, um Theater zu verstehen ist hier falsch. So wird die Entdeckung des Körpers und der Natur zur Aufgabe für den jungen menschlichen Geist. Diese Klumpenhaften Wesen, welche von Prometheus eher zufällig aus Modder gepampt waren und daher gar nicht den heutigen Schönheitsidealen entsprechen konnten, entdecken die Emotionen, die Musik, den Krieg und die Zeit mit dem Älterwerden, auch die Langeweile und die Geschlechtertrennung. Der Zuschauer bekommt den Blick eines Kindes, das alles zum ersten Mal erlebt. Die amüsant unbeholfene Art und Weise, wie der Mensch auf seinem Weg durch die Zeit irrt, gipfelt in der scheinbar schlimmsten, weil seltsamsten Missgeburt des Menschen: Andrew Aggassi, der selber nicht so recht weiß, womit er sein Schicksal verdient hat und wie es so weit kommen konnte. Das Stück veralbert unser Streben nach Sinn in einer Vielfäligkeit, dass es nicht wundert, wie Sinn-Suchende hier verärgert aus dem Theater gehen, weil sie eben genau hier im Fokus der Veralberung stehen. Ein Stück für die Phantasie. Das Auge allein wird hier nur jedoch tatsächlich nur mäßig bedient.