Der Verräter

Marco Bellocchio, einer der großen, alten Männer des italienischen Kinos, spannt 2,5 Stunden lang einen großen Bogen über die jüngere Zeitgeschichte. Streng chronologisch und künstlerisch recht konventionell, aber dennoch packend erzählt er die wahre Geschichte des Kronzeugen Tommaso Bruscetta.

In kurzen Schlaglichtern und im Schnelldurchlauf erleben wir zunächst die Machtkämpfe um die Vorherrschaft in der Cosa Nostra, bei denen Toto Riina in den 80er Jahren besonders brutal zu Werke ging. Während seine Handlanger dem Sohn seines Rivalen erst den Arm abhacken und ihn dann erschießen, läuft am linken, unteren Bildrand lakonisch der Bodycount mit. Bruscetta (gespielt von Pierfrancesco Favina) floh als einer der Verlierer in diesen Kämpfen nach Brasilien, stieg dort in Drogenkämpfe ein und wurde nach seiner Verhaftung an Italien ausgeliefert.

Dort traf er auf Giovanni Falcone (verkörpert von Fausto Russo Alesi), der den perspektivlosen Mafioso dazu bewegen konnte, über die kriminellen Clans und ihre Hierarchie auszupacken. Nun ist der Film nach der etwas länglichen Exposition endlich bei seinem Thema angekommen. Bellocchio zeichnet die Verhöre nach und schildert ausführlich die sogenannten Maxi-Prozesse der späten 80er Jahre, als die Mafia-Größen reihenweise zu lebenslangen Haftstrafen in Hochsicherheitsgefängnissen verurteilt wurden.

Rasch handelt „Der Verräter“ noch das weitere Schicksal seiner Protagonisten ab: Falcone wurde bekanntlich bei einem brutalen Autobomben-Attentat 1992 ermordet. Buscetta sagte in den 90er Jahren noch gegen Giulio Andreotti aus, wurde aber in einer Schlüsselszene des Films von dessen Winkeladvokaten vorgeführt, und starb 2000 an Krebs.

Marco Bellocchios „Der Verräter“ ist zwar deutlich zu lang geraten und künstlerisch nicht besonders aufregend, aber ein interessantes und wichtiges Zeit-Dokument. Seine Premiere hatte „Il Traditore“ im Mai 2019 in Cannes, wo es bei der Preisvergabe allerdings keine Rolle spielte. Leider hat der Film noch keinen deutschen Verleih, läuft jedoch in dieser Woche beim Filmfest München.

Bild: Filmfest München 2019

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