The man who surprised everyone

Ein stiller, bedrückender Film ist das russische Drama „The man who surprised everyone“ des Regie-Duos Aleksey Chupov/Natasha Merkulova, die auch privat ein Paar sind.

Der Förster Egor (Yevgeny Tsyganov) in einem sibirischen Dorf bekommt die niederschmetternde Diagnose, dass er Krebs im Endstadium und höchstens noch zwei Monate zu leben hat. Seine erste Reaktion ist es, die Zähne zusammenzubeißen und sich nichts anmerken zu lassen. Natürlich kann er seine Krankheit vor seiner schwangeren Frau und seinem Sohn nicht lange geheim halten.

Die Dorfbewohner spenden Geld, damit er einen Spezialisten konsultieren kann. In seiner Verzweiflung sucht er auch schamanische Heilerinnen mit alternativen Methoden auf. Doch nichts hilft.

Der Wendepunkt des Films ist erreicht, als ihm eine alte, fast zahnlose Naturheilkundlerin die Fabel vom Erpel Zhamba erzählt, der dem Tod von der Schippe springt, indem er sich als Ente verkleidet.

Vorsichtig tastend probiert Egor im Schuppen Frauenkleider aus und legt Make-up auf. Als ihn seine Frau Natalia (Natalya Kudryashova) erwischt, wirft sie ihn wütend aus dem Haus. Im Dorf spricht sich mittlerweile herum, dass Egor mit den Geschlechterrollen experimentiert. Sie versammeln sich vor seinem Schuppen, um ihn zu provozieren. Er tritt selbstbewusst vor die Tür, wird aber von den homophoben Nachbarn getreten und geschlagen, im Wald schließlich sogar vergewaltigt. Auch sein Sohn wird beim Fußball verprügelt und gemobbt.

„The man who surprised everyone“ legt den Finger tief in die Wunden der russischen Gesellschaft. Es überrascht, dass der Film dort nicht nur im Kino startete, sondern auch als offizieller, russischer Beitrag für die „Golden Globes“ in der Kategorie bester fremdsprachiger Film eingereicht wurde.

Das sehr ruhig erzählte, beklemmende Drama hatte seine Premiere in der „Orizzonti“-Reihe in Venedig 2018. Natalya Kudryashova wurde dort für ihre Rolle der Ehefrau, die nach anfänglicher Abwehrreaktion doch zu Egor steht, als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Es ist zu hoffen, dass „The man who surprised everyone“ nach der Deutschland-Premiere im „CineVision“-Wettbewerb des Filmfests München auch einen Verleih findet.

Bilder: Filmfest München 2019

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