Ocean Vuong beim Literaturfestival

Sehr bescheiden, fast etwas schüchtern wirkt Ocean Vuong, einer der Shootingstars der US-amerikanischen Literaturszene, als er im seit Wochen ausverkauften silent green Platz nimmt.

Mit langen, fast druckreifen Statements antwortet er auf Fragen, berichtet über seine buddhistische Religion oder über die starke Prägung seines  Schreibstils durch die vietnamesische Sprache seiner Mutter, bei der kleinste Nuancen in der Betonung zu einer komplett anderen Bedeutung führen können. Immer wieder kreist das Gespräch um seine Familie: Für seine Mutter, eine Analphabetin, ist der Literaturbetrieb ihres Sohnes bis heute eine völlig fremde Welt. Ocean Vuong machte dies an einer kleinen Anekdote deutlich: Als er sie anrief und ihr stolz erzählen wollte, dass er erstmals im „New Yorker“ sei, war seine Mutter nur irritiert und sagte verwundert, dass er doch schon länger in New York lebe und das keine besondere Neuigkeit sein könne.

Moderator Toby Ashraf stellte am Ende der knapp anderthalb Stunden fest, dass es toll wäre, falls jemand dieses Gespräch mitgeschnitten hat: so voller Themen und interessanter Gedanken. Ocean Vuong, der als Lyriker begann und mit seinem Roman-Debüt in diesem Jahr „On earth we´re briefly gorgeous/Auf Erden sind wir kurz grandios“ seinen Durchbruch feierte, wäre bestimmt auch ein glänzender Essayist mit scharfer Beobachtungsgabe.

Toby Ashraf und Ocean Vuong im Gespräch

Aus seinem Roman wurde natürlich auch gelesen. Vuong trug die ersten Passagen seines Romans, der als Hommage an sein literarisches Vorbild Franz Kafka als Brief an seine Mutter adressiert ist, im Original vor. Der Ton in diesen Zeilen war wesentlich lakonischer und angenehmer als die späteren Passagen, die Marcel Kohler (Schauspieler des Deutschen Theaters Berlin) aus der im Hanser Verlag erschienen Übersetzung las. Mit Motiven aus der Tierwelt überladen klang manches aus dieser Leseprobe etwas zu sentimental.

Bilder: Hartwig Klappert

One thought on “Ocean Vuong beim Literaturfestival

  1. Gregor Reply

    Die vorgelesenen Passagen gaben bleibende Eindrücke von Vuongs wirkungsvoller poetischer Sprache. Zahlreiche Elemente seines innovativ angelegten Romans, der einem zersplitterten Spiegel gleicht, seine Wucht, Härte, Tragik – und gerade auch die queeren Inhalte – wurden kaum vermittelt.

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