Mütter und Söhne

Zur Eröffnung des Neuen Hauses nahm sich das Berliner Ensemble ein Thema vor, das hohe Aktualität hat und vielen auf den Nägeln brennt: Wieso driften Jugendliche nach Rechts ab? Wie können Eltern verhindern, dass ihre Kinder rechten Rattenfängern auf den Leim gehen?

Die US-amerikanische Regisseurin Karen Beece machte sich in ihrem mehrfach erprobten Stil an die Dokumentar-Theater-Arbeit und führte Interviews mit Neonazis, Identitären, Aussteigern, dem Verein Gegen das Vergessen – Für Demokratie e.V. sowie mehreren Antifa-Gruppen. Leider gelang es ihr nicht, die O-Töne zu einem interessanten Theaterabend zu verdichten. Vieles wird angerissen, der Abend bleibt jedoch stets an der Oberfläche und liefert keine Erklärungsansätze.

Den fehlenden inhaltlichen Tiefgang können die fünf Spieler*innen Laura Balzer, Nico Holonics, Bettina Hoppe, Corinna Kirchhoff und Oliver Kraushaar durch Schreiduelle nicht kompensieren. Kirchhoff gibt mehrmals die verzweifelte Mutter, die ratlos vor den Gewaltausbrüchen und Morddrohungen ihres Sohnes (Holonics) kapituliert und von ihm über die Drehbühne gehetzt wird, die mit vielen umgeworfenen Stühlen übersät ist. Statt der erhofften emotionalen Eindringlichkeit wirken diese Szenen oft nur unfreiwillig komisch und banal wie eine Soap, zudem fallen viele Texthänger unangenehm auf.

BERLINER ENSEMBLE/“Mütter und Söhne“ von Karen Breece, Regie: Karen Breece, Bühne: Eve V. Born, Kostüme: Teresa Vergho, Künstlerische Beratung: Clara Topic-Matutin

In der zweiten Hälfte des recht zähen Abends versuchen es Breece und ihr Team mit Parodien: Bettina Hoppe imitiert einen Interviewpartner, der über die männlichen „Weicheier“ herzieht, die sich seiner Meinung nach von den Feministinnen über den Tisch ziehen lassen. Unsere Gesellschaft muss wieder mehr wie die Schimpansen, weniger wie die Bonobos werden, ist seine These. Nico Holonics mimt im breitesten sächsischen Dialekt einen Jung-Nazi, der in die rechte Szene hineinschlitterte und sich enttäuscht abwendet, da ihm der Anführer der Kameradschaft die Freundin ausspannte. Laura Balzer muss das Instagram-Girlie geben, das mit ihrer Live-Kamera immer hautnah dabei ist, wenn die Identitären zu ihren Erklärungen ansetzen.

All diesen Szenen ist gemeinsam, dass der Erkenntnisgewinn sehr überschaubar ist und sich das Puzzle aus vielen Interview-Schnipseln nicht sinnvoll zusammenfügt.

Bilder: © JR Berliner Ensemble

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