Zwischen Wut und Resignation schwanken die Texte, die Corinna Harfouch und Alexander Scheer für ihre Lesung „Erinnerungen an einen Staat“ zusammengestellt haben.
Kurz vor dem Höhepunkt der Feierlichkeiten zu 30 Jahre Mauerfall traten die beiden Bühnenstars bereits auf Schloss Neuhardenberg auf, kurz danach war der Abend nun auch am Deutschen Theater Berlin zu erleben.
Im Zentrum stehen die Aushängeschilder der DDR-Literatur wie Heiner Müller und Christa Wolf, mit Nationalpreisen und Privilegien bedacht. Mit Heiner Müllers Geburtstagsgruß aus der imaginierten Zukunft der Jahrtausendwende an das wiedervereinigte Deutschland, abgedruckt in „Der Morgen“ am 3. Oktober 1990, endet die Lesung. Christa Wolfs illusionslos-schnoddriger Ton, in dem sie sich in „Stadt der Engel“ an ihre gemischten Gefühle erinnert, als ihr in der Nacht des Mauerfalls auf dem Heimweg von der „Coming out“-Premiere im Kino International nach Pankow Kolonnen von Trabbis entgegenkamen, die zum Grenzübergang Bornholmer Straße wollten, passt perfekt zu Corinna Harfouch.
Zu Wort kommen aber auch die Exilanten wie Thomas Brasch und Einar Schleef. Vor allem letzterer kommentierte die Umwälzungen im Herbst 1989 und die rasche Vereinigung der beiden deutschen Staaten sehr bissig und hellsichtig.
In den Dialog kommen Scheer und Harfouch selten. Die Collage besteht aus kurzen Ausschnitten. Die Anmoderationen verzichten auf Überleitungen und Einordnungen, beschränken sich nur auf knappe Angaben zu Titel und Autor. Die Texte sollen für sich sprechen. Als Kommentare erlauben sich Scheer und Harfouch höchstens eine hoch gezogene Augenbraue oder ein ironisches Lächeln.
Ein echtes Zusammenspiel der beiden Vortrags-Künstler erleben wir nur bei einer kurzen Passage aus Rolf Hochhuths „Wessis in Weimar“, einer Abrechnung mit der Politik der Treuhandanstalt. Die Trauer und Wut über verpasste Chancen im Einheitsprozess, als sehr schnell die Regeln der Bundesrepublik für das größer gewordene Deutschland übernommen wurden, prägt vor allem die zweite Hälfte der „Erinnerungen an einen Staat“.
Der Abend ist aber nicht nur eine Lesung von zwei Theater-Promis aus zeitgeschichtlichen Reflexionen, sondern vor allem auch ein Konzert-Abend zum Film „Gundermann“. Die Lesung wird aufgelockert durch kurze Songs von Alexander Scheer, dem mehrfach preisgekrönten Hauptdarsteller des Biopics über den Liedermacher aus der untergegangen DDR.
Bild: Arno Declair