Sorry we missed you

Von der Selbstausbeutung und dem ständigen Kampf des Dienstleistungs-Prekariats gegen die Uhr erzählt der britische Regisseur Ken Loach in seinem neuen Sozial-Drama, das er mit Laien in Newcastle drehte.

Das Ehepaar Ricky und Abbie Turner hat sich nach dem Platzen der Immobilienblase von 2008 wieder halbwegs berappelt und träumt davon, sich endlich einen kleinen Wohlstand zu erarbeiten. Die Realität im Kapitalismus 2.0 sieht jedoch ganz anders aus, als es Ricky in seinem Vorstellungsgespräch als Paket-Zusteller vermittelt wurde. Als Franchise-Nehmer trägt er das Risiko für jeden Ausfall-Tag, muss Bußgelder zahlen, wenn er Zielmarken verfehlt und muss noch dazu für sein Arbeits-Material selbst aufkommen. Seiner Frau geht als Mitarbeiterin eines Pflege-Dienstes nicht besser: menschliche Nähe bleibt auf der Strecke.

In seinem Thesen-Film arbeitet Loach plastisch heraus, wie der Druck auf das Paar wächst, wie auch die Kinder Seb und Lisa leiden und die Familie statt des erträumten Auswegs noch tiefer in der Schuldenspirale versinkt.

Auch mit mehr als 80 Jahren ist Ken Loach weiterhin der engagierte Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit, als den man ihn seit Jahrzehnten kennt. „Sorry we missed you“ liefert genau das, was man von Ken Loach erwartet: eine sehr realistische Milieu-Schilderung mit eindringlichem Appell und wachem Blick für gesellschaftliche Misstände. Das Drama ist ein politisch wichtiger Film und wurde kurz vor dem Kinostart von einer Diskussion mit Arbeitsminister Hubertus Heil und der ehemaligen Links-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht flankiert. Künstlerisch ist „Sorry we missed you“ jedoch nicht besonders interessant und bleibt in den ausgetretenen Pfaden des politisch engagierten, sozial-realistischen Kinos stecken.

Bei der Premiere im Wettbewerb von Cannes 2019 ging der Film zwar leer aus, lief jedoch seitdem auf vielen weiteren Festivals wie in Toronto oder Hamburg und gewann in San Sebastian den Publikumspreis.

Bilder: © Joss Barratt

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