Die Kränkungen der Menschheit

Die rassistische Zurschaustellung angeblich minderwertiger Menschen, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert bei den Weltausstellungen erreichte, wo dem sensationsgierigen europäischen Publikum schwarze oder indigene Menschen als Trophäen des Kolonialismus präsentiert wurden, steht im Zentrum der Konzeptkunst-Performance „Die Kränkungen der Menschheit“.

Das Setting dieser nur 70 Minuten kurzen Arbeit, die mehr Installation als klassisches Sprechtheater ist, bildet ein Museums-Raum. Die junge, afrodeutsche Regisseurin Anta Helene Recke und ihr Team spielen mit den Konventionen dieses Raums und thematisieren die Blick-Umkehr. So lässt sie ihre Spieler*innen um Benjamin Radjapour, der sich bereits über seine dritte Theatertreffen-Einladung freuen kann, oder den Volksbühnen-Veteran Sir Henry aus dem Glaskasten zurück aufs Publikum starren.

Der Abend endet mit dem programmatisch sehr diversen Auftritt einer Frauen-Gruppe unterschiedlicher Hautfarbe und Herkunft, die zunächst wild durcheinanderschnatternd die Touristinnen geben, die in den Museen dieser Welt vom Louvre bis zu den Uffizien oberflächlich von Event zu Event hasten. Die Frauen formieren sich im nächsten Akt zu einer sakralen Prozession, die mit stillem Ernst die Museums-Vitrine umkreisen, bevor sie sich ins Foyer zurückziehen.

Für Anta Helene Recke ist „Die Kränkungen der Menschheit“, eine Koproduktion der Münchner Kammerspiele mit drei Produktionshäusern der freien Szene (HAU Berlin, Kampnagel Hamburg und Mousonturm Frankfurt) nach ihrer „Schwarzkopie“ von Anna Sophie Mahlers musiktheatralischer Adaption von Josef Bierbichlers bayerischem „Mittelreich“-Heimatroman bereits die zweite Einladung zum Berliner Theatertreffen nach 2018.

Mit dieser bemerkenswert sperrigen Arbeit lotet die Jury die Grenzen des theatralen Spektrums aus: ein Abend, der auf ein Minimum an spielerischen Momenten reduziert ist, und in verkopfter Manier zum Umdenken und zum Blickwechsel anregen will: weg von der jahrhundertelang als selbstverständlich gesetzten Zentralperspektive des weißen cis-Mannes, hin zum facettenreichen „Minoritätenlärm“, wie es Berliner Festspiele-Intendant Thomas Oberender in einem Programmheft-Zitat der Regisseurin ausdrückte.

Bilder: Gabriela Neeb

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