Peer Gynt

Nach fünf Jahren wurde es endlich mal wieder Zeit für eine neue Schaubühnen-Produktion mit Lars Eidinger, einem der Aushängeschilder dieses mit Kino- und TV-Stars gespickten Ensembles. Seine Shakespeare-Abende „Hamlet“ und „Richard III.“ garantieren für ausverkauftes Haus und lange Schlangen an der Abendkasse. Aber auf die nächste Eidinger-Premiere musste das Berliner Theater-Publikum lange warten. Zu sehr war er mit Filmrollen und Instagram-Storys beschäftigt.

Da ihm schon nach seinen letzten Abenden der Vorwurf gemacht wurde, dass er sie zu Solo-Shows mache und die übrigen Spieler*innen zu schmückendem Beiwerk degradiere, entschied er sich nun konsequenterweise gleich für einen Auftritt als Alleinunterhalter. Mit John Bock, der an der Schnittstelle von Bildender Kunst, Installation und Performance arbeitet, nahm er sich Henrik Ibsens dramatisches Gedicht „Peer Gynt“, einen der Klassiker aus dem Kanon des 19. Jahrhunderts, vor.

Der Abend ist als großer Selbstfindungstrip angelegt, bei dem Eidinger kurzerhand nicht nur die Mutter Aase, sondern noch weitere Rollen übernimmt und von Live-Kamerafrau Hannah Rumstedt verfolgt wird.

Kleiner Einfall reiht sich an kleinen Einfall. Den ersten gab es schon gleich zu Beginn: Mit sorgenvoller Stimme verkündet eine Schaubühnen-Mitarbeiterin, dass sich der Star bei der letzten Probe einen Finger abgeschnitten habe. Trotz Notoperation in der Charité könne er unter starken Schmerzmitteln spielen. „Peer, Du lügst“, mahnt Aase zu Beginn des Ibsen-Dramas. Und auch dieser Auftakt zur „Taten-Drang-Drama“-Performance von Eidinger/Bock ist wohl eher eine Finte und eine Anspielung auf die vierfingrigen Ibsen-Trolle.

Das Publikum bekommt geboten, was zu erwarten war: eine mit mehr als zwei Stunden ungewöhnlich lange Show, bei der er den Stationen des Ibsen-Dramas folgt, mal eine kleine Trump-Anspielung bringt, sich mal mit Farbe beschmiert, häufig seine von John Bock gestalteten Kostüme wechselt. Am liebsten trug er eine in den Kniekehlen hängende Jogging-Hose, einen Slip und Strapse.

Zu den ungewöhnlichsten Momenten des Abends gehörten die Video-Einspieler von Eugen Drewermann, der mit sonorer Stimme über die Literatur des 19. Jahrhunderts reflektierte. Der Kontrast zum angekündigten pornographischen Video-Material, das in dieser Aufführung verwendet wird, könnte kaum größer sein. Gemessen an der ausgeprägten exhibitionistischen Ader wurden die verpixelten lesbischen Sexspiele, in die sich Eidinger mittels Greenscreen-Technik einklinkte, nur sehr dosiert eingesetzt.

Der Abend hat etwas Sprunghaftes und Ruheloses, reiht zu beliebig Theatermittel an Theatermittel und ist vor allem für Eidinger-Fans empfehlenswert. Schale um Schale pellt der Abend ab, wie Lars Eidinger in Ibsens berühmter Zwiebelszene vorführt, und findet doch keinen Kern.

Nach der Premiere kam die Hälfte des Publikums, die ausharrte, gleich noch in den Genuss einer knapp 15minütigen Stand-up-After-Show von Lars Eidinger, bei der über Proben und rausgeschnittene Szenen berichtete und bekannte Gesichter im Publikum (Kolleg*innen, Journalist*innen) begrüßte.

Als ironischen Kommentar zum Groupie-Kult und der Selbstvermarktung des Stars und Hobby-DJs wurden statt eines Programmhefts eigens von John Bock designte „Peer Gynt“-Schlüpfer verteilt, von denen allerdings kein einziger nach der Vorstellung auf der Bühne landete.

Bild: Benjakon

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