Undine

Passend zum Dauerregen dieses Karnevals- und Berlinale-Sonntags präsentierte Christian Petzold sein romantisches Unterwasser-Kunstmärchen.

Wie von dem Routinier der Berliner Schule nicht anders zu erwarten, bietet der Berlinale-Stammgast bei seiner 5. Einladung in den Wettbewerb (nach „Gespenster“, 2005, „Yella“, 2007, „Barbara“, 2012 und „Transit“, 2018) wunderbar gefilmte Unterwasser-Szenen, die Petzold gemeinsam mit seinen bewährten Stammkräften Hans Fromm (Kamera) und Bettina Böhler (Schnitt) in Szene setzte.

Wunderbar beobachtet sind auch die Abschieds- und Kennenlern-Szenen in den Paarbeziehungen. Die unglückliche Liebe, das Verlassenwerden, das Sich-neu-Verlieben, der Verrat, die Lüge und die Rache sind die zentralen Motive dieses Kunst-Märchens, das Petzold frei nach der mythischen Wassernixe „Undine“ erzählt, einer Sagengestalt aus dem Mittelalter, die Dichter*innen wie Jean Cocteau und Ingeborg Bachmann seit Jahrhunderten inspiriert hat.

Auch bei den Hauptrollen setzt er auf bewährte Stammkräfte: nach der langen Kooperation mit Nina Hoss, die seine ersten drei Wettbewerbs-Filme prägte, prägen diesmal wie schon in der Anna Seghers-Adaption „Transit“ Paula Beer (als Titelfigur Undine) und Franz Rogowski (als Industrietaucher Christoph).

Das zärtliche Abtasten der beiden und die unsichere Aus-der-Welt-Gefallenheit, mit der Rogowski seine Filmcharaktere anlegt, aber auch die Szenen zwischen Undine und ihrem Ex-Liebhaber Johannes (Jacob Matschenz), der sie kühl abserviert, machen die Stärken eines Films aus, der allerdings zu oft sehr nah am Kitsch entlang balanciert und als eskapistisches Märchen in sein eigenes Universum, einem geisterhaften Zwischenreich, eingesponnen ist. Es ist eine gute Wahl, dass Paula Beer mit dem Silbernen Bären als beste Hauptdarstellerin des Festivals ausgezeichnet wurde.

Ganz gegenwärtig ist „Undine“ immer dann, wenn sich der Film auf die Freelancer-Tätigkeit seiner Hauptfigur fokussiert. Petzolds Wassernixe hat Menschengestalt angenommen und erklärt Fach-Besucher*innen im Auftrag des Berliner Senats gemeinsam mit ihrer Chefin (Anne Ratte-Polle in einer kleinen Rolle) anhand plastischer Modelle die Entwicklung der Metropole, die bekanntlich in einer trockengelegten Spree-Sumpflandschaft entstand. Seiner „Undine“ hat Regisseur und Drehbuch-Autor Petzold einige sehr markante, bissige Formulierungen an der Bau- und Geschichtspolitik von Bundesregierung und Senat in den Mund gelegt. Gar nicht mehr eskapistisch, sondern sehr konfrontativ ist Undines Kritik an der Rekonstruktion des Stadtschlosses der Hohenzollern, wo demnächst das Humboldt Forum eröffnet wird.

Auch dieser Nebenstrang sorgt dafür, Petzolds aktueller Film nicht mehr so aus einem Guss wirkt wie z.B. sein begeisterndes Frühwerk „Die innere Sicherheit“ (2000). Wenn die Liebespaare getrennt sind, wirken die Szenen oft recht beliebig und als bloße Übergangs- und Brücken-Sequenzen, was dem Film einen eigentümlichen Rhythmus gibt.

Knapp einen Monat nach der Berlinale-Premiere wird „Undine“ am 26. März 2020 im Kino starten.

Für die unabhängige FIPRESCI-Jury der Film-Journalisten war „Undine“ der beste Film des Wettbewerbs.

Bild: Jacob Matschenz und Paula Beer; © Christian Schulz/Schramm Film

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