Effacer l´historique

Mit einer skurrilen Komödie über Schnäppchenjäger, Online-Junkies und das Prekariat der Digital-Ökonomie meldet sich das französische Duo Benoît Delépine und Gustave Kervern im Berlinale-Wettbewerb zurück. Schon zu Dieter Kosslicks Zeiten waren sie Stammgäste mit „Mammuth“ (2010) und „Saint Armour“ (2016).

Der Film folgt drei grotesk überzeichneten Außenseitern, die Opfer ihrer Naivität wurden und Spuren im Netz löschen möchten.

Marie (Blanche Gardin) wird nach einem One-Night-Stand mit einem Sex-Video erpresst, Bertrand (Denis Podalydès) ist abhängig von einer Sex-Hotline, lässt sich dort ständig Ramsch andrehen und möchte das Schulhof-Cyber-Mobbing gegen seine Tochter entfernen lassen. Auch Christine (Corinne Masiero) ist überschuldet, da sie als Serien-Junkie in Abo-Fallen tappte sowie Mann und Job verlor. Als Fahrerin eines privaten Taxi-Unternehmens steht sie vor dem Aus, da vernichtende 1-Stern-Bewertungen ihren Ruf ruinieren.

Im Stil der Gelbwesten zieht das schlagkräftige Trio der Enttäuschten los und wendet sich in seiner Not an einen Hacker im Hipster-Outfit, der in einem Windrad haust, sich „Gott“ nennt und zumindest bei den App-Bewertungen helfen kann. Bei den Sex-Videos ist auch er mit seinem Latein am Ende, so dass Marie kurzerhand direkt zu Google ins Silicon Valley fliegt. Bertrand wollte eigenlich zur Europa-Zentrale von Facebook nach Irland, bog aber dann doch zum Sitz seiner Sex-Hotline nach Mauritius ab und macht eine ernüchternde Entdeckung über die Tücken künstlicher Intelligenz.

Der schrullige, oft leicht überdrehte, satirische Rundumschlag gegen die Schattenseiten der Digitalökonomie spart nicht mit Seitenhieben gegen Facebook, Amazon und Co.

Zwischen vielen hübschen Einfällen bietet „Effacer l’historique“ oft aber auch recht platten Slapstick. Einen schrägen Mini-Auftritt hat auch wieder Michel Houllebecq als suchtkranker Kettenraucher, der sich das Leben nehmen will.

Der neue Film von Delépine und Kervern ist der heitere, kleine Farbtupfer im Berlinale-Wettbewerb, der von düsteren Geschichten und verzweifelten Charakteren dominiert wird, und darf sich über einen Silbernen Bären freuen. Die Satire war außerdem der Favorit der Leserjury der Berliner Morgenpost.

Bild des Trios Corinne Masiero, Denis Podalydès, Blanche Gardin: © Les films du Worso – No Money Productions – France 3 Cinéma – Pictanovo – Scope Pictures – 2019

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