Heldenplatz

Die Empörung war groß: Kronenzeitung, Bundespräsident Kurt Waldheim und der Rechtspopulist Jörg Haider waren sich einig, dass sie diese Uraufführung im November 1988 am Wiener Burgtheater unbedingt verhindern wollten.

Zu tief bohrte Thomas Bernhard in den Wunden der deutsch-österreichischen Geschichte, zu drastisch legte er die Traditionslinien des Antisemitismus und die mangelhafte Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts offen.

Der regieführende Intendant Claus Peymann ließ sich jedoch nicht beirren: er zog die Premiere, die Theater-Skandalgeschichte geschrieben hat, durch. Das Burgtheater präsentierte in dieser Woche in seinem Corona-Ersatz-Spielplan eine ORF-Aufzeichnung von 1989. Leider zeigt sie nur das Stück und nicht die anschließenden Aufwallungen des Premieren-Publikums, als sich begeisterte Befürworter und wütende Gegner einen lautstarken Schlagabtausch lieferten und ein gewisser Heinz-Christian Strache, der über die Ibiza-Affäre stolperte, vom Rang aus Stimmung machte.

Wenn man die Inszenierung mit mehr als dreißig Jahren Abstand betrachtet, ist zweierlei festzuhalten: Erstens, wie museal die Spielweise ist. Das Burgtheater-Starensemble deklamiert lange Monologe, in schier endlos wirkenden Schleifen drehen sich die Schimpftiraden im Zeitlupen-Tempo im Kreis. Zweitens, wie treffsicher-bissig Thomas Bernhard formulieren konnte, der wenige Monate nach der Uraufführung verstarb. Bernhard war ein Meister des galligen Spotts und der bitterbösen Verachtung. Was hätte er wohl geschrieben, wenn er die enorme Welle der Rechtsextremisten noch miterlebt hätte, die in den vergangenen Jahren immer offensiver und unverblümter auftrat?

50 Jahre nach dem „Anschluss“ Österreichs stürzt sich ein jüdischer Professor aus dem Fenster in den Tod: nach seiner Rückkehr aus dem Exil in Oxford kann er die Melange aus Katholizismus und Antisemitismus nicht ertragen, die ihm das Leben schwer macht. In diesem Dreiakter erzählen Bernhard/Peymann, wie die Hinterbliebenen damit umgehen.

„Heldenplatz“ ist ein Abend, der vor allem theaterhistorisch interessant und viele verbale Giftpfeile abfeuert, die man am liebsten mitschreiben und einrahmen möchte.

Bild: Matthias Horn

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