Ema

Mit dem Flammenwerfer zieht Ema durch die Nacht von Valparaíso, in der ersten Sequenz des Films von Pablo Larraín muss eine Verkehrsampel dranglauben.

Diese Bilder sind programmatisch für die restlichen knapp 100 Minuten: Ohne jede Rücksicht auf Verluste zieht Ema (Mariana di Girolamo) eine Schneise der Verwüstung. Die Hauptfigur ist eine platinblondierte narzisstische Egomanin, die sich nimmt, wonach ihr gerade der Sinn steht, und ihr Spielzeug (Menschen ebenso wie Gegenstände) fallen lässt, sobald sie die Lust daran verloren hat.

Einen klassischen Plot gibt es in „Ema“ nicht, aus vielen kleinen elliptischen Sequenzen voller Zeitsprünge setzt sich jedoch langsam das Psychogramm der Titelfigur zusammen. Auch was sie antreibt, wird nach und nach klar: Mit ihrem Partner, dem Choreographen Gastón (Gael García Bernal), hat sie Polo adoptiert, war jedoch wie insgesamt mit ihrem Gefühlshaushalt auch mit der Erziehung des Kindes überfordert. Als Polo das Haus in Flammen steckte und seine Tante nur schwer enstellt überlebte, gab Ema das adoptierte Kind zurück und für eine neue Pflegefamiilie frei, bereut diesen Entschluss jedoch recht schnell.

Den Film durchziehen verbitterte Rededuelle voller gegenseitiger Schuldzuweisungen zwischen Gastón und der Protagonistin Ema. Das sind die wenigen Momente, in denen Gael García Bernal über die Rolle eines Side-Kicks hinauskommt. Der restliche Film kreist um die sprunghafte Ema, die sich wesentlichb faszinerender und rätselhafter findet als es der traurigen Realität hinter ihrer Selbststilisierung entspricht.

Am stärksten ist der Film, wenn er sich von seiner Fixierheit auf Ema löst und die Protagonistin in hervorragenden, tänzerisch ebenso wie visuell beeindruckenden Choreographien unterschiedlicher Tanzstile aufgehen lässt. Diese kurzen Sequenzen auf der Bühne unter einem roten, pulsierenden Feuerball oder im Reggaeton-Stil am Hafen sind die Höhepunkte von „Ema“, der im September 2019 im Wettbewerb von Venedig Premiere hatte, über weitere Festivals wie Toronto, Sundance und zuletzt Hamburg tourte und am 22. Oktober 2020 in den deutschen Kinos starten wird.

Bilder: © Koch Films

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