Leichen pflastern ihren Weg. Ohne viele Worte schreitet Agnes (Indira Andrewin) ganz in Weiß durch den Dschungel am Rio Lobo, im Grenzgebiet zwischen Mexiko und Belize. Sie steht im Zentrum dieses feministischen Mystery-Dschungel-Westerns, der in den 1920er Jahren angesiedelt ist.
Die Männer um sie herum sterben reihenweise. Ein Hauptstrang des Plots ist eine Räuberpistole, in der englische Kolonialisten und spanische Arbeiter um die schöne Frau und das Kautschuk kämpfen und sich bei jeder erneuten Konfrontation niedermetzeln.
Der raunende Off-Kommentar, der diese Odyssee durch den Dschungel begleitet, legt uns nahe, um wen es sich bei dieser rätselhaften Agnes handelt. Die Männer sind schließlich überzeugt, dass es sich um eine Inkarnation der Xtabay handelt. Diese Dämonin reißt nach dem Glauben der Maya die Männer mit ihrer Schönheit ins Verderben und in den Tod.
In sehr langsamen, ihre Rätselhaftigkeit oft überbetonenden Einstellungen nimmt uns Regisseurin Yulene Olaizola mit auf ihren Trip in eine Dschungelwelt aus Kolonialvergangenheit, Fieberträumen und mythologischen Motiven. Bei ihrer Konzentration auf eine möglichst düstere, enigmatische Atmosphäre bleibt jedoch die Figuren-Zeichnung etwas auf der Strecke: die (überwiegend Laien)-Darsteller*innen wirken oft mehr wie Randfiguren oder Statisten als wirkliche Protagonisten, wie der Hollywood Reporter treffend feststellte.
Lohnend macht diesen Film vor allem die herausragende Kamera der Kolumbianerin Sofía Oggioni, die den Dschungel und seine Tierwelt von Raubkatzen bis Krokodilen wunderbar in Szene setzt. Sie werden zu den eigentlichen Stars des Films.
„Selva Trágica/Tragic Jungle“ hatte im September 2020 in der Reihe „Orizzonti“ in Venedig seine Premiere und lief kurz danach bereits beim Filmfest Hamburg. Derzeit ist der Mystery-Dschungel-Western beim Internationalen Filmfest Mannheim-Heidelberg online abrufbar. Bei der cineastischen Weltreise „Around the World in 14 films“ in der Berliner Kulturbrauerei konnte man den Film leider nicht auf der Leinwand erleben, das Festival fiel in diesem Jahr Corona zum Opfer.
Bild: Varios Lobos