Ein Gewitter von Zahlen und Fakten prasselte heute Abend zur besten Sendezeit auf das Fernsehpublikum herab. In einer fiktiven Sitzung des Ethikrates verhaken sich die Sachverständigen in Prozent-Angaben zur Suizid-Quote im US-Bundesstaat Oregon und zur richtigen theologischen Auslegung der Schriften der Kirchenväter Augustinus und Thomas von Aquin.
Harte Kost setzt Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach den Zuschauern vor: Nach dem Erfolg mit „Terror“, das landauf, landab auf zahlreichen Theaterbühnen gespielt und ebenfalls bereits für das Fernsehen adaptiert wurde, lässt er wieder moralische und juristische Argumente in Streitgesprächen aufeinanderprallen und das Publikum über eine schwierige ethische Frage abstimmen. Diesmal geht es um die Sterbehilfe und das erst im Februar vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, im Herbst 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot „der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ aus § 217 Abs. 1 StGB.
Im September wurde „Gott“ von Ferdinand von Schirach parallel am Berliner Ensemble und am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt. Als statisches Wikipedia-Aufsagetheater, das die Spieler*innen zu papiernen Thesenträger*innen verkümmern lasse, wurde der Doppel-Abend im Spätsommer von vielen Feuilletons eher negativ besprochen.
Mit dieser hölzernen Grundkonstruktion eines Kammerspiels, in dem endlos geredet wird und die handelnden Personen hinter ihrer reinen Amtsfunktion (als Bischof oder Vertreter der Bundesärztekammer) zu verschwinden drohen, hat auch die TV-Fassung zu kämpfen, die Lars Kraume als Regisseur und Oliver Berben als Produzent für die ARD realisierten.
Lars Eidinger bekommt deshalb sehr viel Freiraum, sich als Rechtsbeistand von Herrn Gärtner (Matthias Habich), der sich das Leben nehmen möchte, mit spöttischen Einwürfen als aasiger, besonders unsympathischer Vertreter der Juristen-Zunft danebenzubenehmen. Eine Rolle, die ihm wie auf den Leib geschnitten scheint. Er rückt den Sachverständigen auf die Pelle, nimmt sie in die Mangel und versucht, ihnen das Wort im Mund herumzudrehen.
Der Film kulminiert in dem Duell von Schaubühnen-Aushängeschild Eidinger mit einem anderen Berliner-Theaterstar: Ulrich Matthes mimt den Bischof Thiel, der mit pathetischem Ernst sein Glaubensbekenntnis vom Ertragen des Schmerzes bis zum letzten Atemzug und der schützenden Hand Gottes darlegt. Ihr Rededuell ist das Herzstück und der lebendigste Moment eines Films, in dem Rede und Gegenrede, These und Antithese sonst allzu glatt und routiniert abgespult werden.
Bilder: ARD Degeto/Moovie GmbH/Julia Terjung