All for one and one for the money

Nach dem Prinzip der Reizüberflutung funktioniert der Live-Stream „All for one and one for the money“, den Richard Siegal und sein Ballet of Difference mit dem Schauspiel Köln produzierten. Genauer gesagt sind es drei parallele Streams, zwischen denen man beliebig hin und her switchen kann, begleitet von einem Chat und weiteren Special Streams, die man kostenpflichtig zuschalten kann.

Das Problem des knapp einstündigen Abends: er hat ein hervorragendes Qualitätsprodukt, das er wie Ramschware verscherbelt. Die Choreographie, die Siegal für den Stream 1 erarbeitete, ist ein ästhetischer Genuss: Dieser fängt bei den Kostümen von Flora Miranda an, die mit Symbolen der Konsumwelt wie Scan-Codes, Glasfaserkabeln und Geldscheinen spielen. Dazu tragen vor allem auch die spannenden Licht- und Video-Effekten von Matthias Singer weiter, der mit Siegal schon für „Oval“ des Staatsballetts Berlin zusammengearbeitet hat. Und erst recht gilt dies für die elektronischen Beats von Lorenzo Bianchi Hoesch, von denen sich die Tänzer*innen treiben lassen.

Nicolás Martínez

Die Aufmerksamkeit des Publikums wird jedoch bewusst durch ständiges Flackern in den beiden anderen Streams abgezogen. Die Lecture- und Game Theater-Performances setzen sich ironisch mit der Welt des Konsums auseinander, werden minutenlang von einem Youtube-Video einer jungen Asiatin abgelöst, die Essen in sich hineinschlingt, und werden erst kurz vor Schluss ganz abgeschaltet, so dass auf allen Streams das Finale der Choreographie zu sehen ist.

Andrea Mocciardini

Nebenher plätschert schließlich auch noch der Chat, der kaum über Grußbotschaften, Witze und in den Raum geworfene, aber nie beantwortete Fragen hinauskam. All der Aufwand der parallelen Streams mag ein Meta-Vergnügen für Gametheater-Nerds und Theaterwissenschaftler sein, die Seminararbeiten über die ironischen Ebenen der Performance schreiben können. Die Gimmicks und Ironie-Schleifen entwerten jedoch den Tanzabend, der es verdient hätte, ganz pur und ungestört zu wirken.

Da sich der Theater-Lockdown weiter schier endlos hinzieht, produzierte Richard Siegal „Two for the Show“ als einen „EXTENDED CHOREOGRAPHER’S CUT“, der ab dem 24. April 2021 an vier Abenden gestreamt wird. Die neue XL-Version dauert zwei Stunden und beginnt mit einem 25minütigen Intro, in dem das „Ballet of Difference“ ohne alle Ablenkungen und Gimmicks seine Klasse zeigen kann. In futuristische Kostüme von Flora Miranda gehüllt tanzt das Ensemble durch eine Licht-Installation von Matthias Singer.

Evan Supple

Nach einer zehnminütigen Pause beginnt auch in der XL-Version das bekannte Spiel mit Gametheater-Parodien und mehreren Streams, die parallel laufen. Im Chat zeigten sich einige Gäste irritiert, auch mehrere technische Hänger sorgten dafür, dass sich der Stream etwas zäh in die Länge zog.

Mason Manning

Dafür bekam das Publikum ein grandioses Finale geboten, bei dem das „Ballet of Difference“-Ensemble im Hauptstream noch mal mit einer tollen Choreographie auftrumpfen konnte.

Bilder: Thomas Schermer

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