Balanchine/Forsythe/Siegal

Zu einer Zeitreise durch die Geschichte des Tanzes im 20. Jahrhundert lädt das Staatsballett mit seinem Triptychon „Balanchine/Forsythe/Siegal“, das seit Mai 2019 im Repertoire der Staatsoper ist.

Mit reichlich Patina ist „Theme and Variations“ von Georges Balanchine überzogen. In opulenten Kostümen und unter gewaltigen Kronleuchtern beschwört diese Choreographie zur Musik von Tschaikowsky ( Suite für Orchester Nr. 3 G-Dur) die Atmosphäre rauschender Ballsaal-Nächte am Hof herauf. Dieses Stück löst sich nur sehr vorsichtig von der Ballett-Klassik. Es ist mehr Rückblick eines Emigranten und Hommage an die Blüte des russischen Balletts Anfang des 20. Jahrhunderts als nach vorne weisend. Zweifellos mit „Grazie und Grandeur“ getanzt, wie Sandra Luzina im Tagesspiegel schrieb, aber eben auch ein Gruß aus einer untergegangenen Welt.

Nach der Pause folgte mit „The Second Life“ ein Klassiker der Moderne. Die Performer*innen von She She Pop erinnerten sich in ihrem Jubiläumsstück „Kanon“ daran, wie sie Anfang der 1990er Jahre aus Gießen nach Frankfurt pilgerten, um dort William Forsythe und seine Compagnie zu erleben. Das raffinierte Spiel mit geometrischen Formen, die sich auflösen und kreuzen, hat auch heute noch seinen Reiz und ist zurecht seit 2006 eine feste Größe im Repertoire des Staatsballetts Berlin.

Höhepunkt dieses Abends ist allerdings die Uraufführung „Oval“ von Richard Siegal, der in Chris Dercons Plänen für die Volksbühne eine zentrale Rolle spielte. Hier trifft Tanz auf Techno von Alva Noto alias Carsten Nicolai und eine LED-Lichtinstallation von Matthias Singer.

Für die innovativen, raumfüllenden Installationen dieses Trios wäre die Volksbühne mit ihrem gewaltigen Bühnenraum der perfekte Ort. Dercon musste nach zu vielen Flops innerhalb weniger Monate und massivem Gegenwind von Kritik und Publikum die Segel streichen. Siegals neue Arbeiten sind deshalb an der Bayerischen Staatsoper und in der Schmuckkästchen-Atmosphäre der Staatsoper Unter den Linden zu sehen.

Unter dem pulsierenden Licht des LED-Rings über ihren Köpfen zucken die Tänzer*innen ekstatisch: irgendwo zwischen Robotern im Stil von Sharon Eyal und Club-Gänger*innen in Latex-Kostümen.

Unter Stroboskop-Blitzen und mit lauten Beats endet diese Zeitreise, die einen interessanten Bogen von klassischer Eleganz bis zu interdisziplinärer Avantgarde schlägt.

Bilder: Yan Revazov

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