Als „poetische Reise durch das Wechselbad der Gefühle unserer Zeit“ beschreibt Theresa Henning den Abend im Programmheft. „Der Beginn einer neuen Welt“ ist ein assoziatives Langgedicht, verteilt auf drei Spieler*innen: Sabrina Ceesay, Tabitha Frehner und Nils Rovira-Muñoz.
Der Gedankenstrom der einstündigen Performance ist sprunghaft und wird immer wieder von kleineren tänzerischen Einlagen des Ensembles unterbrochen. Um zwei große Themen kreist dieser Text: Um den Schock einer Generation, der immer versichert wurde, dass Europa ein Hort des Wohlstands und der Stabilität sei und der durch ein Virus nun plötzlich der feste Boden unter den Füßen weggezogen wird. Und um die Sehnsucht nach einer neuen, besseren Welt, die vor allem zu Beginn des ersten Lockdowns auch in manchen soziologischen Essays und blumigen Feuilleton-Artikeln als große Hoffnung für das entschleunigte, gerechtere Post-Corona-Zeitalter beschworen wurde. In der harten Realität zwischen 1. und 2. Welle gab es es jedoch kaum Anzeichen dafür, dass dieser Traum Wirklichkeit werden könnte.
Ebenso pathetisch wie diffus beschwören Autorin/Regisseurin Theresa Henning und ihr Ensemble einen paradiesischen neuen Zustand. Symbole und Metaphern ploppen in dem Gedankenstrom auf und verschwinden ebenso schnell wieder. Schlagworte wie der „Black Lives Matter“-Hilfeschrei „I can´t breathe“ und das „ungelebte Leben“ vor dem Netflix-Bildschirm ziehen sich leitmotivisch durch eine Performance, die in ihrer Sehnsucht nach einer schöneren Welt sympathisch ist, in ihren Assoziationsketten und Sprachbildern sehr unpräzise und diffus bleibt und alles tut, um sich einem klaren Zugriff zu entziehen.
Die Premiere von „Der Beginn einer anderen Welt“ war für den 20. November 2020 im Ballhof 2 des Schauspiels Hannover geplant. Wegen Corona konnte die Uraufführung erst am 5. Dezember 2020 als Live-Stream im Netz stattfinden.
Bild: © Isabel Machado Rios