Zum Jubiläum „50 Jahre Tatort“ gönnte sich die ARD eine bemerkenswerte Doppel-Folge, in der die Teams aus Dortmund und München gemeinsam der Organisierten Kriminalität auf der Spur sind.
Vor allem der erste Teil ragte aus dem Sonntags-Krimi-Einerlei heraus: Nach Kamerafahrten durch die tristesten Ecken Dortmund fokussiert sich die Handlung auf ein italienisches Restaurant, das offenkundig als Umschlag-Platz für Drogengeschäfte der kalabrischen ‚Ndrangheta dient. Statt des gewohnten „Wer war der Mörder“-Rätselratens möchten Regisseur Dominik Graf und Drehbuchautor Bernd Lange vor allem von den schwierigen Entscheidungen erzählen, vor denen die Ermittler*innen stehen. Akribisch und in aller Ausführlichkeit zeichnet dieses Drama nach, wie die Argumente aufeinanderprallen und sich die unterschiedlichen Charaktere darüber ereifern, welcher Ansatz der erfolgversprechendste und moralisch richtige ist.
Zwischen die Fronten des zupackenden Zynikers Faber (Jörg Hartmann), der es mit den Regeln des Rechtsstaats einmal mehr nicht so genau nimmt, und den abgeklärten, milde lächelnden Elder Statesmen unter den Krimi-Kommissaren, Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) gerät Nora Dalay (Aylin Tezel), die es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren kann, dass sie als Lockvogel auf die Gastwirtin Juliane Modica (Antje Traue) angesetzt ist.
Geschickt erschleicht sie sich das Vertrauen der Frau, die aus den Mafia-Verstrickungen ihres Mannes Luca Modica (Beniamino Brogi) aussteigen möchte. Noras Gewissensbisse werden größer, als sie erkennt, in welch existentielle Gefahr sie die potentielle Kronzeugin bringt. Dennoch lässt sich Frau Modica verkabeln, so dass die Ermittler*innen die Gespräche zwischen ihrem Mann und Giuseppe Mauro, genannt „Pippo“ (Emiliano De Martino) abhören können. Er ist der Mann fürs Grobe und die Drecksarbeit, motiviert bis in die Haarspitzen, sich Meriten zu verdienen und in der Clan-Hierarchie aufzusteigen und gerade deshalb brandgefährlich.
In den letzten zwanzig Minuten spitzt sich das Drama bei Familie Modica und dem unwillkommenen Gast aus Kalabrien, der sich bei ihnen breitgemacht hat, atemraubend zu.
Der zweite Teil, bei dem Bernd Lange weiterhin für das Drehbuch verantwortlich ist und Pia Strietmann Regie führt, beginnt noch brutaler und düsterer: Luca Modica, „Pippo“ und die Modica-Tochter Sofia (Emma Preisendanz) hausen in einem heruntergekommenen Loch, das Lichtjahre von der Münchner Schicki-Micki-Eleganz entfernt ist, die ´Ndrangheta-Pate Domenico Palladio (Paolo Sassanelli) mit Villa am Seeufer verkörpert. Ihr Auftrag, dem Baudezernenten einen Denkzettel zu verpassen, da er sich nicht auf die eingeübten Absprachen hält und gegen Korruption vorgehen will, läuft aus dem Ruder.
Der Zweiteiler, der als Reflexion über die Ermittlungsmethoden gegen organisierte Kriminalität, verengt sich mehr und mehr auf die Figur der Sofia. Der Pate und seine Frau (Barbara Romaner) verlangen bedingungslose Loyalität und locken mit dem glamourösen Lebensstil, sie setzt aber alles daran, endlich herauszubekommen, was mit ihrer Mutter am Ende des ersten Teils geschehen ist.
Auch diese zweite Hälfte ist noch über dem üblichen Sonntagskrimi-Niveau, hat aber doch längst nicht mehr den „Wumms“ des Auftakts von vergangener Woche, wie Matthias Dell auf ZEIT Online zurecht feststellte.
Vorschaubild: WDR/Frank Dicks