Noch kurz vor dem zweiten Lockdown konnte Christine Umpfenbach ihr Recherche-Projekt zum 40. Jahrestag des rechtsextremen Bomben-Anschlags auf das Münchner Oktoberfest im Werkraum der Münchner Kammerspiele zur Premiere bringen.
Wenn Sie sich auf den Marienplatz stellen und fragen, was in München am 26.9.1980 passiert ist, werden 8 von 10 Passant*innen vermutlich nur ratlos mit den Schultern zucken, sagt einer der Überlebenden dieses Anschlags, der mit 13 Toten und mehr als 200 Verletzten eines der schlimmsten Verbrechen der vergangenen Jahrzehnte war.
Den Überlebenden leihen drei Absolventinnen und ein Absolvent der Otto Falckenberg-Schule sowie Stefan Merki aus dem Ensemble der Kammerspiele ihre Stimme. Detailliert beschreiben die Protagonist*innen, wie sie sich auf den „Wiesn“-Besuch an dem Freitag Abend freuten, wie sie die Detonation erlebten und vor allem, was in den 40 Jahren seitdem passiert wird.
Scharfe Kritik übt dieser Dokumentartheater-Abend an Ministerpräsident Franz Josef Strauß, der schnell mit Verdächtigungen zur Hand war, hier könne es sich – so kurz nach dem „Deutschen Herbst“ der RAF – nur um einen weiteren linksextremen Anschlag handeln, und später alles tat, um Hinweise auf rechtsextreme Terror-Netzwerk herunterzuspielen. Schon ein halbes Jahr später stellten die Ermittler ihre Nachforschungen ein: die Bombe habe ein verwirrter Einzeltäter gelegt. Allen Indizien, dass die Tat einen eindeutig politischen Hintergrund hatte und es möglicherweise Mittäter aus der „Wehrsportgruppe“ von Karl-Heinz Hoffmann gab, gingen Polizei und Staatsanwaltschaft damals nicht weiter nach. Erst 2014, einige Jahre nach dem NSU-Schock und nach Recherchen des Journalisten Ulrich Chaussy, nahm der Generalbundesanwalt neue Ermittlungen auf.
Der Abend zeichnet eindrucksvoll nach, wie jahrzehntelang versucht wurde, die unangenehme Tatsache eines rechten Terroranschlags unter den Teppich zu kehren. Besonders bitter für die Überlebenden ist, dass das Versorgungsamt ihre Verletzungen oft bagatellisierte. Der Abend lebt von der eindringlichen, authentischen Schilderung der Überlebenden des rechten Terrors und konzentriert sich ganz auf die Opferperspektive.
Im Zentrum stehen politische Aufklärungsarbeit und Informationsvermittlung, dennoch hat dieser Dokutheater-Abend über das Oktoberfest-Attentat auch einige spielerische Momente, so beginnt der Abend z.B. mit einer kurzen, szenischen Collage, was im Jahr 1980 sonst noch los war: von Disco-Hits bis zur Bundestags-Wahlkampf-Auseinandersetzung zwischen Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß.
Bild: Julian Baumann