Nach seinem spannenden Stuttgarter „Tatort“-Debüt „Stau“, als sich die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) bei ihrem Verhör von Autotür zu Autotür, von Stoßstange zu Stoßstange durch die zur Rush Hour chronisch verstopfte Neue Weinsteige arbeiten mussten, und einem Ausflug in die schrullige Welt von Hauptkommissar Murot (Ulrch Tukur), den er im „Tatort: Murot und das Murmeltier“ in eine Zeitschleife schickte, kehrt Regisseur und Co-Drehbuchautor Dietrich Brüggemann für seinen dritten Tatort-Kommisssar wieder nach Stuttgart zurück.
Genauer gesagt, nach Ostfildern. Dort feiert eine Baugruppe gerade ihre Einweihungsparty, als Bauarbeiter im undichten Fundament eine verweste Frauenleiche finden. Natürlich lösen die beiden Kommissare Lannert und Bootz den Fall nach einigen Sackgassen und skurrilen Haken, die die Handlung schlägt. Der Krimi-Plot, wer die Leiche war und wer sie ermordet hat, rückt bei Brüggemann aber als schmückendes Beiwerk in den Hintergrund.
Sehenswert ist die „Tatort“-Episode „Das ist unser Haus“ vor allem als Studie eines schwäbischen, esoterisch mehr als nur angehauchten Milieus, das in stundenlangen Gruppensitzungen ausdiskutiert, was dies oder jenes mit ihnen macht, der Aura des Hauses nachspürt und gewaltfreie Kommunikation predigt, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit die anderen Mitglieder der Genossenschaft mit Mord-Verdächtigungen überzieht.
Brüggemann und sein Co-Autor Daniel Bickermann haben ihren Spieler*innen tolle Dialoge auf den Leib geschrieben, die Wortwahl und Einstellungen eines Milieus treffend wiedergeben, das zu einer Keimzelle der „Querdenken“-Bewegung wurde. Ulrike, die gute Seele der Baugruppe, die vergeblich versucht, die Streithähne beisammen zu halten, spielt die Kreuzberger Exil-Schwäbin Christiane Rösinger, die ansonsten als Musikerin unterwegs ist. Lana Cooper und Desiree Klaeukens spielen das lesbische Paar Victoria und Birgit, das von Eifersuchtsdramen zerrissen wird, Joseph Bundschuh gibt den Informatiker Marco, der in dieser linksalternativen Eso-Szene wie ein Fremdkörper wirkt, während Kerstin (Nadine Dubois) selig mit ihren Räucherstäbchen hantiert. Einen Kurzauftritt als Wutbürger-Rentner im Reihenhaus hat mit Heinz Rudolf Kunze schließlich noch ein weiterer prominenter Musiker und Schauspiel-Laie.
Der satirische Krimi aus dem Stuttgarter Esoterik-Biotop ist durchaus unterhaltsam und hat ganz beiläufig mehr witzige Dialoge und Gags als die „Tatort“-Kollegen, die sich seit Jahren verkrampft um Humor bemühen, wie Matthias Dell in seiner ZEIT Online-Kolumne treffend bilanzierte.
Bild: SWR/Benoit Linder“ (S2+). SWR Presse/Bildkommunikation, Baden-Baden