Hitler Baby One More Time

Einen denkwürdigen Moment gibt es in dieser kurzen Performance: Dor Aloni springt von der Bühne, tigert durch den leeren Saal der Volksbühne und sucht den Mittelplatz in Reihe 16, von dem aus er als junger Schauspielstudent einen Auftritt von Martin Wuttke miterleben durfte. In „Der Geizige“, sehr frei nach Molière, einer für Frank Castorfs Verhältnisse ungewöhnlich kurzen Inszenierung zitierte Wuttke seine legendärste Rolle: die Hitler-Parodie in Bertolt Brechts Parabel „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, die seit 1995 am Berliner Ensemble bisher schon mehr als 400 mal zu sehen war.

Aloni macht sich im Allerheiligsten der Volksbühne über den Schauspielstil aus der Ära von Frank Castorf lustig und zieht „diese geile, kruppstahlharte Sprache“ durch den Kakao. Später, als Aloni zurück auf der Bühne ist, mäandert der 45minütige Stream. Ziemlich unfertig wirkt dieser Mix aus Stand-up-Comedy, die an angelsächsischen Vorbildern geschult ist und mit dem imaginären Publikum flirtet, und politischem Kabarett mit Seitenhieben auf die Quer- und Nichtdenkerin „Jana aus Kassel“ oder die merkwürdige Obsession, dass jahrelang Guido Knopps „Hitlertainment“-Sachbücher die Auslagen der Buchhandlungen füllten und Bestsellerlisten dominierten.

In einer ironischen, aber oft unpräzisen Performance über jüdische und deutsche Identität, die er bereits im Herbst 2019 am St. Pauli Theater in Hamburg präsentierte, springt Aloni vom Desertieren aus der israelischen Armee zum Verlängern seiner Aufenthaltsgenehmigung, vom Videochat mit der Mutter zu einer Gesangseinlage auf High Heels.

„Hitler Baby One More Time“ ist Teil des „Diaspora Europa“-Festival, das Shelly Kupferberg und Tímea Junghaus kuratierten und schon im Mai 2020 zum 75. Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft stattfinden sollte. Wegen Corona kann dieses Volksbühnen-Festival erst jetzt in einer Online-Version nachgeholt werden. Noch bis 31. Januar sind außer „Hitler Baby One More Time“ einige politische Diskussionen, eine tänzerische Hommage, Klezmer- und Jazz-Konzerte sowie satirische Clips abrufbar.

Bild: David Baltzer

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