Tatort: Borowski und das Glück der Anderen

Sascha Arango ist der Autor von Kieler „Tatorten“, die aus dem Rahmen des sonntäglichen Einerlei fallen. Sein aktuellster Fall, „Borowski und das Glück der Anderen“, ist zwar bereits zwei Jahre alt, aber es lohnt sich, diesen unterhaltsamen Krimi in der ARD-Mediathek nachzuholen.

Wer die Mörderin ist, kann ich hier ohne Spoiler verraten, denn Drehbuchautor Arango und Regisseur Andreas Kleinert präsentieren uns schon in der ersten Viertelstunde, wie die Supermarkt-Kassiererin Peggy Stresemann in das Haus ihrer Nachbarn einbricht und Thomas Dell mit sieben Schüssen regelrecht hinrichtet, als er sie auf frischer Tat ertappt.

Auch ihr Motiv ist von vornherein klar: „Das dunkel funkelnde Kraftzentrum dieses Films ist der Neid von Peggy Stresemann, weil er sich nicht allein nach innen frisst. Stresemann kann diesen Neid nicht verbergen, er verdirbt ihr Urteilsvermögen und übertreibt ihr Handeln“, schrieb Cornelius Pollmer zur TV-Premiere im März 2019 in der Süddeutschen Zeitung. Durchs Fenster hat Peggy beobachtet, dass ihre Nachbarn einen Zettel in der Hand haben und mit Champagner anstoßen, während Lotto-Fee Franziska Reichenbacher im Fernsehen gerade die Zahlen des Millionen-Jackpots verkündet. Peggy ist felsenfest überzeugt, dass ihre Nachbarn, die ohnehin wohlhabender und erfolgreicher als sie sind und beim Einkauf an der Supermarktkasse auf sie herabschauen, den Abholschein für den Jackpot-Gewinn irgendwo versteckt haben müssen und durchwühlt deshalb alle Schubladen und Schränke. Wie schon in Arangos „Borowski und die Frau am Fenster“ steht eine Figur im Mittelpunkt, die sich zu kurz gekommen fühlt, voller Voyeurismus und Neugier ihr Umfeld beobachtet, sich dabei aber in Fehlwahrnehmungen und einem Wahn verstrickt, der sie im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen lässt.

Katrin Wichmann aus dem Ensemble des Deutschen Theaters Berlin spielt diese Peggy und trägt diesen Film. Der Sonntags-Krimi wird zum Psychogramm einer Frau, die sich endlich am Ziel ihrer Sehnsüchte wähnt und sich immer tiefer in Widersprüche verstrickt, als Kommissar Borowski (Axel Milberg) sie scheinbar beiläufig ins Gespräch verwickelt und sein Katz- und Maus-Spiel beginnt. Hervorzuheben sind aber auch zwei Mitglieder des benachbarten Berliner Ensembles, die als Side-Kicks von Katrin Wichmann in kleinen Rollen glänzen: Aljoscha Stadelmann spielt Peggys Mann Micha, der ihr zu träge und unglamourös ist, Stefanie Reinsperger tritt als Peggys Freundin und Kollegin Ilona Schmidt auf.

Mit feiner Ironie und schön-skurrilen kleinen Dialogen ist „Borowski und das Glück der Anderen“ ein ungewöhnlicher und sehenswerter „Tatort“.

Bild: NDR/Christine Schroeder

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