Ayka

Durch den Moloch Moskau hetzt die Titelfigur Ayka (Samal Yeslyamova), blutend und schwitzend, in zunehmender Verzweiflung, da sie immer wieder betrogen wird und die Mafia ihr ein Ultimatum stellt, das geliehene Geld zurückzuzahlen.

Die wacklige Handkamera ist stets ganz nah an Ayka, die durch eine trostlose, graue Stadt im Schneematsch hetzt und verwaschen-düstere Bilder einfängt. So atemlos hetzt die Protagonistin durch diese lebensfeindliche Umgebung, dass die Kamera oft Mühe hat, ihr hinterher zu kommen.

Die kirgisische Migrantin muss sich ohne Papiere als „Illegale“ durchkämpfen, haust in einem völlig überfüllten Hostel, bei den Razzien kassiert die korrupte Polizei dafür ab, dass sie wegschaut und die ausgebeuteten Niedriglöhner nicht abschiebt. Ayka versucht ihr Glück im Hühner-Schlachthof, bei der Schneeschipp-Kolonne und schließlich als Putzhilfe beim Tierarzt, wo eine Leidensgenossin mit kleinen Gesten der Hilfsbereitschaft der einzige Lichtblick in dieser schwer zu ertragenden Elends-Odysse der Ayka ist.

Samal Yeslyamova als „Ayka“

„Ayka“ reiht sich unter die zahlreichen sozialrealistischen Dramen aus Osteuropa ein, die von Figuren erzählen, die der Strudel der raschen Transformation vom Staats-Sozialismus zum Turbo-Kapitalismus erfasst und für die kaum ein Funken Hoffnung bleibt. Auf den internationalen Festivals waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele derartige Geschichten zu sehen. Bemerkenswert macht diesen Film vor allem die kasachische Schauspielerin Samal Yeslyamova. Sie trägt diesen Film und wurde im Mai 2018 in Cannes mit einer Silbernen Palme als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Dass Regisseur Sergej Dontskoy vom Dokumentarfilm kommt, ist den scharf beobachtenden Bildern dieses Moskauer Tristesse-Panoramas deutlich anzumerken. Zehn Jahre nach seinem Spielfilm-Debüt „Tulpan“, das 2008 in der Sektion „Un certain regard“ eingeladen war, hatte „Ayka“2018 im Wettbewerb von Cannes Premiere.

Die stärkste Passage von „Ayka“ ist die letzte halbe Stunde: als die lange Odyssee in der Tierarztpraxis eine kurze Atempause bekommt, gelingen Dontskoy die intensivsten Bilder blutender Hunde, die mit den Entzündungen und Blutungen von Ayka korrespondieren: nach der Geburt ihres Kindes stürmte sie, von ihrem Kampf ums wirtschaftliche Überleben getrieben, Hals über Kopf aus der Geburtsklinik und versorgt ihre Wunden nur notdürftig in Winkeln oder hinter Vorhängen. Niemand darf wissen, dass sie ein Kind hat und krank ist, da dies ihre Chancen auf einen Minijob ruinieren würde. Ihr Kind kommt aber in der packenden Schluss-Sequenz wieder ins Spiel, da die Mafia sie nach wiederholten Warnungen vor eine schwere Entscheidung stellt.

Ein Jahr nach der Cannes-Premiere lief „Ayka“ im April 2019 in einigen Programmkinos. Noch bis Ende März ist es auf MUBI abrufbar, im April hat es seine TV-Premiere auf arte, das dieses Drama gemeinsam mit der ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ koproduziert hat.

Bilder: © Neue Visionen Filmverleih

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