Schwestern

Nur der Souffleur, der Kamera-Mann und ein überdimensionaler, zähnefletschender Panther sind mit Lukas Vögler auf der Bühne. Inspiriert von Schlüsselbegriffen aus Anton Tschechows „Drei Schwestern“-Klassiker performt er seinen einstündigen Monolog über Einsamkeit, das Abschiednehmen und die Arbeit.

Immer wieder nimmt der Schauspieler Kontakt zum Souffleur und zum Kamera-Mann auf, spricht das abwesende Publikum direkt an, sucht Halt in einem unterspannt dahinplätschernden, fast improvisiert wirkenden und wie auch die NZZ kritisierte oft zu klischeehaften Solo. Ganz zum Schluss bietet der belanglose Abend immerhin noch einen Schauwert: Vögler krabbelt in das Maul der Raubtier-Attrappe, deren Augen beginnen zu leuchten, vom Band ertönt die Rammstein-Ballade „Ohne Dich“. Dies ist der zweite Song des Abends, zuvor legte Vögler in wallender Toga eine Tanz-Einlage zu einer von ihm selbst vertonten Version des berühmten „Der Panther“-Gedichts von Rainer Maria Rilke auf die Pfauen-Bühne. Die Depression und Perspektivlosigkeit im monatelangen Corona-Lockdown ist das Leitmotiv dieses Monologs: „Müd geworden“ in der 3. Welle und immer noch kein Ende in Sicht, „als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt“.

„Schwestern“, das der Solist mit Hausregisseurin Leonie Böhm erarbeitet hat, kam nicht über eine mäßig unterhaltsame Fingerübung hinaus. Die erste Livestream-Premiere des Schauspielhauses Zürich dürfte auch schon die letzte gewesen sein: Gestern beschloss der Schweizer Bundesrat, dass die Theater ab nächster Woche mitten im exponentiellen Wachstum der 3. Corona-Welle und einer Inzidenz deutlich über 300 in Zürich wieder vor Publikum spielen kann. Harakiri oder ein Hoffnungsschimmer? In der Stellungnahme des Direktoriums des Schauspielhauses Zürich, die am Tag nach der Premiere veröffentlicht wurde, spürt man die Zerrissenheit: „Wir können sie momentan nicht nachvollziehen und teilen nicht die Einschätzung, dass die Vorzeichen dazu gegeben sind. Wir nehmen die Ankündigung nicht als Zeichen dafür, dass es schon fast geschafft, fast vorbei ist“, kritisiert das Schauspielhaus. Zugleich betont das Direktorium, dass man sich freut, endlich wieder live zu spielen: Seit Monaten hat man diesem Moment entgegengefiebert.

Bilder: Gina Folly

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