Vom „Tatort Krankenhaus“ erzählt Tuğsal Moğul, Regisseur und Anästhesist, in seiner Uraufführung „Wir haben getan, was wir konnten“, die im September 2020 in der kurzen Phase zwischen den Corona-Lockdowns, in der die Bühnen vor einem kleinen Publikums-Häuflein spielen durften.
Erste Pläne für dieses Stück begannen natürlich schon weit vor der Pandemie, als R-Wert, Inzidenz und Triage noch nicht zum Standard-Vokabular der Tagesschau gehörten. Dem Regisseur Moğul wollte den Finger in die Wunde der Durchökonomisierung weiter Bereiche unserer Gesellschaft legen. Krankenhäuser wurden von Orten öffentlicher Gesundheits- und Daseinsvorsorge im Denken vieler Politiker und Krankenhaus-Manager zu bewirtswirtschaftlich optimierten Unternehmen, die möglichst viel Gewinn abwerfen sollten. Das signifikanteste Beispiel für das Rendite-Denken im Gesundheitswesen ist eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die im Sommer 2019 forderte, man solle knapp die Hälfte aller Kliniken schließen. Sobald die Pandemie anrollte, verschwand diese Studie schnell wieder in der Schublade.
Die 75minütige Uraufführung „Wir haben getan, was wir konnten“ befasst sich aber weniger mit dem Rendite-Druck und den miesen Arbeitsbedingungen, unter denen viele Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte auf den Intensivstationen leiden, sondern greift drei spektakuläre Fälle heraus, in denen Pfleger, Apotheker oder Schwestern zu Mörder wurden. Christoph Jöde erzählt vom pathologischen Größenwahn des Pflegers Niels H., der Patienten mit einer Überdosis in die Bewusstlosigkeit spritzte, um sich bei Reanimationsversuchen als Held feiern zu lassen.
Dem kurzen Dokumentartheater-Abend gelingt es nicht überzeugend, seine beiden Erzählstränge vom Optimierungsdruck, unter dem die Kliniken ächzen, und den spektakulären Kriminalverbrechen schlüssig zu verbinden. „Wir haben getan, was wir konnten“ wirft einige Schlaglichter auf die Situation in den Kliniken, verharrt aber in langen Monologen von Yorck Dippe, Ute Hannig und Christoph Jöde zu sehr bei den extremen Einzelfällen.
Die Textpassagen werden von Barock-Musik unterbrochen: John Eckhardt (Kontrabass), Tobias Schwencke (Cembalo) und Swantje Tessmann (Geige/Bratsche) begleiten die Arien des dreiköpfigen Ensembles, das zur Musik von Henry Purcell in Kostüme voller Plüsch und Rüschen gesteckt wurde (Kostüme und Bühne: Ariane Salzbrunn). Warum der Abend über die Missstände in der modernen Medizin ausgerechnet durch Barockmusik und entsprechende Kostüme unterlegt ist, erschließt sich nicht.
Schon kurz nach der Premiere im Malersaal des Schauspielhauses Hamburg mussten die deutschen Theater in den zweiten Lockdown. Auch das Gastspiel beim Heidelberger Stückemarkt konnte nicht live vor Publikum stattfinden, sondern nur als Stream einer Aufzeichnung.
Bilder: Arno Declair