Einen starken Siegerinnen-Text hat die Jury des Heidelberger Stückemarkts im Mai 2021 ausgewählt: Svenja Viola Bungarten verknüpft in ihrem dritten Theaterstück feministische Theorie, Internats-Grusel-Schauer und eine Umwertung christlicher, biblischer Motive überzeugend.
Nicht mal einen Monat später wurde „Maria Magda“ vom Theater Münster als Stream uraufgeführt und an diesem Wochenende noch einmal gratis im Netz angeboten. Während die Mädchen im Klosterschul-Internat zunächst noch mit Mobbing und lesbischem Begehren beschäftigt sind, hat die dreiäugige Seherin Ma Donna Ha (Ulrike Knobloch) ihren ersten Auftritt und holt ideengeschichtlich weit aus: Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. In expliziter, oft sogar vulgärer Sprache macht sie sich über die christliche Lehre von der Jungfrauengeburt lustig und analysiert die Hexenverfolgung des Mittelalters aus feministischer und marxistischer Perspektive.
Zu dräuender Horror-Musik von Oskar Mayböck spielt sich die erste Stunde von Theresa Thomasbergers Theater-Stream im Internats-Saal ab. Sobald die Oberschwester (Regine Andratschke) mit strengen, eingefrorenen Gesichtszügen hereinkommt, vereist die Stimmung. Wenn die drei Girlies Maria (Marlene Goksch), Hildie (Rose Lohmann) und Neuzugang Magda (Lea Ostrovskiy) unter sich sind, erzählen sie sich von beängstigenden Träumen und raunen über die Gefahren, die ihnen drohen. Wenn sie sich vor abgeschnittenen Brüsten gruseln, lässt Kostüm- und Bühnenbildnerin Mirjam Schaal überdimensionale abgetrennte Körperteile von der Decke baumeln.
Gelungen ist vor allem die letzte halbe Stunde: Gottes Stimme ertönt aus dem Off (Leon Maria Spiegelberg), setzt immer wieder zur Vergewaltigung der Jungfrau an, mit filmisch-ironischen „Oder doch nicht“-Zwischentiteln bricht die Szene jedes Mal wieder ab und wird in sechs Varianten erzählt, bis sich das weibliche Ensemble zu einem Schlusschor versammelt und einen feministischen Kanon aus Literatur- und Theorie-Geschichte von Donna Harraway über Virginia Woolf bis Mary Shelley beschwört.
Svenja Bungartens „Maria Magda“ ein interessanter, facettenreicher Text, der christliche Mythen frontal angreift, mit Horror- und Genre-Motiven spielt und der sich nach André Mumots Meinung deutlich von den Selbstbespiegelungen der anderen Texte des Heidelberger Stückemarkt-Jahrgangs abhob.
Bilder: Oliver Berg