Das Duell zweier Opportunistinnen, die sich im Kampf um das Bürgermeisterinnenamt einer fiktiven Kleinstadt im Westen der Republik bis aufs Messer bekriegen, zeichnen Peter Lund (Text und Regie) und Thomas Zaufke (Komposition) in ihrer neuen Produktion an der Neuköllner Oper nach. Gemeinsam mit den Musical-Studierenden im 3. Ausbildungsjahr an der UdK Berlin bieten sie dem Publikum im überhitzten Dachgeschoss eine Polit-Farce mit grellen, kolportagehaften Wendungen und einem unterhaltsam-süffigen Plot.
Regula Hartmann-Hagenbeck (Veronika de Vries) und Alina Deutschmann (Joel Zupan) können sich nicht ausstehen, wohl auch, weil sie sich zu ähnlich sind. Formal vertreten sie zwar Standpunkte aus unterschiedlichen politischen Spektren: hier die emanzipierte Frau mit Doppelnamen, die sich für mehr Bio und Weltoffenheit einsetzt, dort die glamouröse Rivalin, die es genießt, mit rechtspopulistischen Parolen zu provozieren und damit das Scheinwerferlicht auf sich zu ziehen. Schnell wird aber klar, dass sie bei ihren politischen Positionen recht flexibel sind. Der Wille zur Macht ist es, der sie antreibt: die eine möchte ein schwarz-grünes Bündnis schmieden und muss sich von ihrer aktivistischen Tochter Sophie (Maria Joachimstaller) Verrat an ihren Idealen vorhalten lassen, die andere trat erst vor sechs Monaten in die rechtspopulistische Bewegungspartei ein, da sie sich dort die größten Chancen ausrechnet, ihre Karriere voranzutreiben und auch offene private Rechnungen zu begleichen, die im Zentrum der zweiten Stückhälfte stehen.
Die Story nimmt einige aberwitzige Wendungen, spielt auf Watergate an, fährt ein Arsenal von Intrigantinnen auf und wird musikalisch von einem Stil-Mix begleitet, der sich ironisch in der Musik-Geschichte bedient, mal Motive von Johann Sebastian Bach variiert, mal wie Bert Brecht/Kurt Weill klingt und gerne auch mal zur Hommage an die West Side Story wird.
Im Gegensatz zu den Revierkämpfen der Jungs in „Drachenherz“, das der Vorgängerjahrgang präsentierte, sind in „Eine Stimme für Deutschland“ die Frauen diesmal deutlich in der Überzahl. Neidisch kommentieren seine Kommilitoninnen jedoch die langen Beine von Joel Zupan, mit denen er grazil im Drag-Kostüm über die Bühne zur nächsten Intrige stöckelt.
Noch bis 25. Juli läuft die Premieren-Serie dieser Eröffnungs-Produktion der Neuköllner Oper nach dem langen Lockdown.
Bilder: © MIZAFO