Die Komödie am Kurfürstendamm wurde vom Corona-Lockdown im März 2020 besonders hart getroffen. Nach all den Querelen mit den Investoren um den Mietvertrag und nach dem Umzug ins Interimsquartier im Schillertheater sollte die Krimikomödie „Mord im Orientexpress“ nach dem Roman-Klassiker von Agatha Christie Geld in die Kassen bringen. Doch eine Woche vor der Premiere mussten alle Bühnen schließen, die Spielzeit war beendet.
In diesem Sommer, fast anderthalb Jahre später, konnte die Premiere nach dem nächsten Lockdown endlich nachgeholt werden. Hyperventilierend liefen die Kamerateams von ZDF und rbb den B- und C-Promis hinterher, die sich gockelhaft auf dem Roten Teppich spreizten, während sich der Rest des Premieren-Publikums fragend ansah, wer das eigentlich ist.
Sehenswerter und unterhaltsamer als diese schräge Inszenierung vor dem Haus war die trotz drei Stunden sehr kurzweilige Show im Innern. Katharina Thalbach führte nicht nur Regie, sondern glänzt auch wieder mal in ihrem Lieblings-Metier, einer Hosenrolle: als selbstverliebter Privatdetektiv Hercule Poirot steckt sie ihre Spürnase in den verzwickten Fall, wer den Geschäftsmann Samuel Ratchett in dem Zug ermordet hat, der in einem Schneesturm auf dem Balkan stecken blieb.
Während die Verfilmungen von Sidney Lumet (1974) und Kenneth Branagh (2017) recht angestaubt wirken, schürften Thalbach und die „Geschwister Pfister“ in der Broadway-Bühnenfassung (2017) von Ken Ludwig nach den Pointen. „Mord zum Orientexpress“ wird zum Ensemble-Stück voller exzentrischer Auftritte, in denen vor allem Christoph Marti als Helen Hubbard und Andreja Schneider als von den Bolschweiken traumatisierte Prinzessin Dragomiroff glänzen und sich kurz vor Schluss ein „Geschwister Pfister“-internes Zickenduell liefern.
Der Abend ist ganz im gediegen-altertümlichen Stil eingerichtet (Bühne: Momme Röhrbein, der Thalbach seit langem verbunden ist; Kostüme: Star-Designer Guido Maria Kretschmer) und wird von kleinen Tanzeinlagen aufgelockert, die Chistopher Tölle choreographiert hat. Das „Whodunit“-Rätselraten läuft handwerklich makellos ab und kulminiert in einem Splatter-Video von Maximilian Reich, in dem die Auflösung nachgestellt wird.
Noch bis 19. August ist „Mord im Orientexpress“ zu sehen. Angesichts der Delta-Variante und auf ausdrücklichen Wunsch des Publikums verzichtet die Komödie am Kudamm darauf, den Saal schon wieder komplett auszulasten und verkauft vernünftigerweise nur 50 % der Plätze, um die Sicherheitsabstände zu wahren. Eine zweite Vorstellungsserie ist für März/April 2022 geplant, sofern Corona dies zulässt.
Bilder: Franziska Strauss