Drei schöne, junge Menschen feiern ausgelassen auf einem Landgut. Mit dieser stimmungsvollen Szene holen Miguel Gomes und seine Lebensgefährtin und Co-Regisseurin Maureen Fazendeiro ihr Publikum in „The Tsugua Diaries“ ab.

Langsam entfalten sich kurze Szenen: Wortgeplänkel und Flirts, bei denen vor allem Carloto Cotta die treibende Kraft ist, der auch schon aus früheren Gomes-Filmen bekannt ist, z.B. „Tabu“ (Alfred Bauer-Preis der Berlinale 2012) oder der 1.001 Nacht-Trilogie, die beim „Around the World in 14 films“-Festival 2015 eingeladen war. Die Stimmung wirkt wie in Gorkis „Sommergäste“: leicht neurotische Figuren leben in den Tag hinein, genießen Sommer, Sonne, Jugend und Freiheit, wissen aber nichts so recht mit sich anzufangen.

Kurze Einblendungen zählen die Tage zurück: von Tag 22 bis 1 verdüstert sich die Stimmung und weitet sich der Fokus. Es wird klar, dass die drei jungen Menschen einen Film im Film drehen und die Atmosphäre gar nicht sommerlich leicht ist. „The Tsugua Diaries“ entwickeln sich zur Meta-Lockdown-Tragikomödie. Auch hier ist Carloto Cotta mit seiner selbstbewussten Präsenz die Kraft, die die Handlung vorantreibt. Er will aus den strengen Regeln ausbrechen, die ein in Quarantäne-Schutzanzug vermummter Vertreter der portugiesischen Filmkommission ganz am Schluss des Films bzw. zu Beginn des Films im Film vorliest. Sunnyboy Carloto lässt es sich nicht nehmen, Ausflüge zum Strand zu machen und dort zu surfen. Seine Film-Partnerin hat schwere Bedenken, ob sie sich in den intimen Szenen anstecken kann.

„The Tsugua Diaries“ ist also sommerliche Meta-Komödie, die Gomes und seine Film-Familie aus der Langeweile des ersten Corona-Lockdowns improvisierten, und Zeitdokument. Im Sommer 2021 hatte der Film in Cannes Premiere in der Experimentalkino-Nische „Quinzaine des Realisateurs“. Nach weiteren herbstlichen Gastspielen z.B. auf der Viennale und beim Filmfestival Mannheim-Heidelberg sind „The Tsugua Diaires“ nun eine Station bei „Around the World in 14 films“ in der Berliner Kulturbrauerei.

Die kleine Lockdown-Fingerübung taucht hier in einem völlig neuen Kontext auf: die Inzidenzen eilen von Rekordhöhe zu Rekordhöhe, neue Varianten des Virus machen sich breit. Die große Mehrheit im rmäßig gut besuchten Kinosaal reißt sich in einer Mischung aus Borniertheit, Egozentrik und Rücksichtslosigkeit die Maske vom Gesicht, sobald sie den Sitz erreichen. Ein entspanntes Kino-Erlebnis oder ein Gefühl von Sicherheit stellen sich so nicht ein. Nach der Komplett-Absage im vergangenen Jahr konnte das Festival 2021 wieder starten, aber einige Zuschauer*innen tun offensichtlich alles, eingeübte Corona-Regeln über Bord zu werfen und den Festival-Besuch für alle Beteiligten riskanter zu machen.

Bild: © O Som e a Fúria, Uma Pedra no Sapato

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