Ausgerechnet zwei Piefkes wagen sich an eine Ikone der österreichischen Tourismuswerbung heran: der neue Volkstheater-Intendant Kay Voges, der aus Dortmund nach Wien zugereist ist, beauftragte den Kölner Kabarettisten Rainald Grebe mit einer Revue, die der Faszination um Kaiserin Elisabeth, besser bekannt als Sisi oder Sissi, nachspüren soll. Mit seiner Hymne auf die Tristesse Brandenburgs wurde Grebe zum Kult, nun soll er mehrere Hundert Kilometer südlich eine historische Figur würdigen, um die sich so viele Klischees ranken und zu der den meisten wohl zunächst die rührseligen Schmonzetten aus den 1950er Jahren einfallen, die jährlich im Weihnachts-Fernsehprogramm ihre klebrigen Spuren hinterlassen.
Die erste Begegnung zwischen der Sissi (Romy Schneider) und ihrem Franzl (Karlheinz Böhm) wird auch aus dem Off eingespielt, während Anke Zillich und Andreas Beck pantomimisch die Lippen bewegen und den Kitsch persiflieren. Susanna Peterka, die nach Jahrzehnten im Ministerialdienst nun im Ruhestand ihre Schauspielleidenschaft pflegt, ist zuständig für kleine, authentische Anekdoten: sie berichtet, wie sie und ihre Mitschülerinnen damals in den Hauptdarsteller verknallt waren und wie sie selbst ähnlich wie Romy Schneider an die falschen Männer geriet und unglücklich blieb.
Zu einem bunten Strauß aus 99 Szenen haben Rainald Grebe und sein Ensemble ihre Kabarett-Nummern, Anekdoten und Songs zusammengebunden. Bemerkenswert sind dabei vor allem die Songs, die Jens-Karsten Stoll aus oft ungelenken Lyrik-Versuchen der unglücklichen Kaiserin komponierte, die sie zu ihren Lebzeiten nie veröffentlichte. Dank dieser Musical-Nummern, bei denen das Ensemble singt und live von Stoll und seinen Band-Kollegen Simon Frick und Christopher Haritzer, bekommt der Abend phasenweise fast ein wenig Struktur.
Aber sobald ein roter Faden durchschimmert, bricht sich der Nummern-Revue-Charakter Bahn. Hübsche kleine Ideen lösen sich mit Durchhängern ab, der Abend flattert mal hier hin und dorthin. Er hätte das „Kill your darlings“-Prinzip beherzigen und aus der Fülle des Materials eine stringentere Auswahl treffen sollen: Anna Rieser und Christoph Schüchner kündigen in ihrem Intro aus der Balkon-Loge eine siebeneinhalbstündige „Lange Sisi-Nacht“ im Stil einer Radio-Show an. Mehr als einmal an diesem Abend schleicht sich das Gefühl ein, dass die Revue so gar kein Ende zu nehmen scheint, weil nach einer gefühlten Ewigkeit noch nicht mal die Hälfte der vom Inspizienten (Uwe Schmieder, wie Andreas Beck ein langjähriger Weggefährte von Voges aus Dortmunder Tagen) per Einblendung penibel mitgezählten, versprochenen 99 Szenen absolviert sind. In der Kürze läge die Würze dieser kabarettistischen Sisi-Revue.
Bild mit Anna Rieser und Christoph Schüchner auf dem Balkon: © Marcel Urlaub / Volkstheater