Is this a room

Scheinbar harmlos beginnt dieses Kammerspiel: eine junge Frau in kurzen Jeans kommt in der Sommerhitze von Georgia vom Einkaufen nach Hause. Drei Männer warten auf sie und verwickeln sie in ein betont harmloses Gespräch. Pure Routine scheint der Vorgang zu sein.

Zwischen all dem Small-Talk über Haustiere, Yoga und die sengende Hitze lauern Fragen nach den Waffen, die die junge Frau im Haus hat, und nach ihrer Schreibtischtätigkeit: Sie ist Spezialistin für iranische Luftfahrttechnik und hat Zugang zu hochbrisanten Geheimdienstdokumenten. Eines dieser Dokumente, das für Donald Trump peinliche russische Einflußnahme auf den US-Präsidentschafts-Wahlkampf 2016 belegt, soll die Analystin an das Magazin „The Intercept“ geleakt haben, lautet der Vorwurf der FBI-Ermittler.

Regisseurin Tina Satter und ihre vier Spieler*innen stützen sich auf den Wortlaut des Verhörprotokolls am Tag der Verhaftung von Reality Winner im Juni 2017, ein halbes Jahr nach Trumps Wahlsieg. Inklusive aller Ähs, Ausflüchte und Ablenkungsmanöver, vor allem aber aber auch inklusive aller geschwärzten, als geheim klassifizierten Stellen, die den Abend mit Schwarzblenden immer häufiger unterbrechen, zeigen sie ein Re-Enactment dieser Befragung. Langsam treiben die Männer die Frau in die Enge, anfangs stellen sich beide Seiten betont naiv, doch die Polizei weiß wesentlich mehr als sie vorgibt. Obwohl sie betonen, dass alles hier auf Freiwilligkeit beruhe, zieht sich die Schlinge um den Hals der Beschuldigten immer enger, bis sie unter Tränen gesteht.

In seinem Minimalismus und in seinem Verzicht auf Requisiten ist „Is this a room“ eine typische Off-Off-Broadway-Show. In „The Kitchen“ hatte das Stück bereits im Januar 2019 Premiere und lief dann so erfolgreich am Vineyard Theatre am Off-Broadway, dass die Ruhrtriennale und das FIND-Festival der Schaubühne darauf aufmerksam werden. Dort sollte dieses Whistleblower-Drama bereits im September 2020 bzw. im Oktober 2021 gastieren. Ersteres verhinderte Corona, zweiteres der Umzug der Produktion an den Broadway ins Lyceum Theatre: in all seinem Minimalismus hat der 65 Minuten kurze Abend alle Qualitäten, die ein Broadway-Hit braucht, die von New York Times bis Time Out empfohlen wird: die klare Zugänglichkeit für das Mainstream-Publikum jenseits der Nerdhaftigkeit, die für deutsche Off-Produktionen so typisch ist, und vor allem die großen Emotionen mit dem tränenreichen Zusammenbruch der Hauptfigur.

Reality Winner wurde zu mehr als 5 Jahren Haft wegen Verstoßes gegen den Espionage Act verurteilt, mittlerweile zwar aus der Haft entlassen, steht aber weiter mit elektronischer Fußfessel unter Hausarrest. Ihre Rolle spielte bei den beiden Berliner Vorstellungen erstmals Katherine Romans statt Emily Davis.

Als Eröffnungsproduktion hat die Schaubühne „Is this a room“ für das FIND Festival 2022 programmiert und bleibt sich damit treu: die Beschäftigung mit den Abgründen von Donald Trumps Amtszeit gehört seit Jahren zu den zentralen Themen des Festivals und erhält durch dieses thrillerartige Verhör-Reenactment weitere Facetten. Am kommenden Sonntag wird es auch ein Matinee-Gespräch über Whistleblowing geben.

Bild: Paula Court

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