Leider startet diese positive Überraschung aus der „Panorama“-Sektion der Berlinale nur in wenigen Programmkinos, von denen auch noch die meisten in Berlin liegen.
„Grand Jeté“ ist ein Film, der nicht in die Raster der Filmförderung und Publikumserwartungen passt und dementsprechend schwere Produktionsbedingungen hatte. Dies beginnt schon beim Thema: Regisseurin Isabelle Stever, Drehbuchautorin Anna Melikova und Anke Stelling, die Autorin der Roman-Vorlage „Fürsorge“ beschreiben ein Tabu-Thema, die inzestuöse Affäre zwischen einer Mutter und ihrem Sohn, der bei der Großmutter aufgewachsen ist und zu dem sie kaum Kontakt hatte.
Mutter und Sohn sind beide sehr wortkarg, schotten ihre Gefühle ab und stählen ihre Körper: die Mutter war Profi-Tänzerin, ihr geschundener Körper wird oft in Großaufnahme gezeigt, heute kann sie nur noch Ballett-Stunden für den Nachwuchs geben und ist auf einen Gehstock angewiesen, für den sie aber zu eitel ist. Ihr Sohn pumpt im Fitnessstudio und präsentiert das Ergebnis bei Underground-Shows und bei kinky Spielen in Wettbüros.
Die beiden Hauptdarsteller tragen diesen Film: Sarah Nevada Grether zog als 16jährige aus den USA nach Hamburg, war Solistin des Stuttgarter Staatsballetts und ist seit 2008 Performerin in der Freien Szene Berlins. Ihren Sohn spielt Emil von Schönfels, der am Jungen DT entdeckt wurde und nach „Räuberhände“ seine zweite große Kino-Rolle hat.
Hervorzuheben ist aber auch die Kamera von Constantin Campean. Er ist „extrem nah dran an den Körpern der beiden Darsteller Sarah Nevada Grether und Emil von Schönfels, zeigt sie im Halbdunkel und aus ungewöhnlichen Winkeln, von oben, von hinten, immer mit geringer Tiefenschärfe, die das Geschehen und die Räume, in denen sie sich bewegen, verwischen“, schrieb Annett Scheffel treffend in der SZ.
Bilder: Brave New Work