Sieben Performer*innen hat Lola Arias für ihre Stückentwicklung zum Thema Mutterschaft versammelt. Wie am Gorki Theater üblich, schöpfen alle Akteur*innen aus ihren persönlichen Erfahrungen. Sie spielen aber nicht nur sich selbst, sondern übernehmen auch hin und wieder Rollen in den Geschichten der anderen.
Der Cast ist sehr divers: von lesbischen Paaren mit Kinderwunsch über heterosexuelle Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Kinder bekommen konnten und sich als Pflegeeltern bewerben, bis zu einem Transmann. Sie alle kreisen in kleinen Miniaturen um das Thema, lose sind die einzelnen Episoden unter Kapitel-Überschriften zusammengefasst.
Ihr Konzept beschreibt die argentinische Regisseurin Lola Arias in einem Statement für das Programmheft: sie möchte ein möglichst buntes Mosaik unterschiedlichster Perspektiven versammeln. Der Ton bleibt leichtfüßig und unterhaltsam, auch wenn ernste Themen wie Abtreibung oder Fehlgeburten behandelt werden. Meist bleibt die Inszenierung aber an der Oberfläche: die unterschiedlichen Aspekte werden in den knapp zwei Stunden oft nur angerissen. Schon folgt die nächste Episode oder der nächste Song.
Die Spielzeit-Eröffnungs-Inszenierung am Gorki Theater ist bereits die dritte Version von Arias zu diesem Thema: zuvor recherchierte sie bereits Stückfassungen für Bologna (2021) und Madrid/Barcelona (2022). Der Abend geht zwar von dokumentarischem Material aus, ist aber sehr bestrebt, nicht in die Graubrot-Falle zu tappen, die bei diesem Genre droht. Dialoge werden kabarettistisch zugespitzt, wie das Treffen von dem schwulen Deutsch-Türken Ufuk Tan Altunkaya mit der Berliner Sucht-Therapeutin Franzi als seiner potentiellen Co-Parenting-Partnerin bei Hafermilch in einem Berlin-Mitte-Café. Natürlich dürfen auch klassische Songs zum Thema Mutterschaft und Weiblichkeit nicht fehlen: von Madonnas „Like a Virgin“ über Heintjes „Mama“ bis zu Nina Hagens „Unbeschreiblich weiblich“ tanzt das Ensemble die Choreogaphien von Luciana Acuña, eine Strip-Einlage von Trans-Sexworker Kay Garnellen inklusive. Mariana Tirantte hat dafür eine multifunktionale Bühne gebaut, die zunächst wie eine Bibliothek wirkt und später an ein Naturkundemuseum mit Exponaten hinter Glas-Vitrinen erinnert.
Während der ersten beiden Drittel wirkt das Material streckenweise etwas zu beliebig aneinander geklebt. Stärker und dichter wird der knapp zweistündige Abend in seinen Schlusskapiteln. Aus queerfeministischer und migrantischer Perspektive werden die bürokratischen Hürden aufgezählt, die das deutsche Familienrecht in all seinen Verästelungen den Kinderwünschen entgegenstellt, die nicht der Norm der Bilderbuchfamilie entsprechen. Natürlich treffen sie damit einen Nerv beim Gorki-Stammpublikum, das auch nach der zweiten Vorstellung begeistert über dieses Empowerment jubelt. So jung und weiblich wie an diesem Abend ist ein Theatersaal selten besetzt.
Bild: Esra Rotthoff