Marie Antoinette oder Kuchen für alle!

Mit dem unverwechselbaren, leicht kratzigen, lautstarken Organ, mit dem die gesamte Thalbach-Familie gesegnet zu sein scheint, legt Anna Thalbach einen großen Auftritt als Marie Antoinette hin. Blitzschnell kann sie umschalten zwischen nölender Langeweile, die Krallen ausfahren und ihren Louis-Schnucki um den Finger wickeln.

Die neue Komödie des Duos Peter Jordan/Leonhard Koppelmann hat während der ersten Stunde viel von dem zu bieten, was gutes Boulevard-Theater ausmacht: starke Darsteller*innen, die die Komik ihrer Figuren auskosten, ohne sie zu Knallchargen werden zu lassen, ein Gespür für Timing und natürlich eine Reihe schöner Gags, die um die zentrale Idee der Inszenierung kreisen: der sichtlich überforderte Louis XIV. und seine immer wieder zum Fenster rennende und hinausbrüllende Gattin warten – entgegen der tatsächlichen Historie – seit zwanzig Jahren auf ihre Hinrichtung, die die Revolutionäre angekündigt, aber immer wieder verschoben haben.

Aus diesem Warten auf das bevorstehende Ende bezieht die erste Hälfte ihre Komik: im Ping-Pong spinnen die beiden ihre Flucht-Phantasien, die sie schnell wieder verwerfen, weil sie mit der Würde des Königspaares nicht vereinbar sind, und überlegen, wie sie sich am elegantesten selbst umbringen. Dementsprechend schwarz und morbide ist manchmal der Humor.

Nach der Pause verliert das Duo Jordan/Koppelmann, das sich Text und Regie teilte, den roten Faden. Mit viel Türengeklapper tauchen diverse Nebenfiguren wie Robbespierre oder Napoleon in der bonbonbunten Tortenwelt von Versailles auf, die Stefanie Bruhn gestaltete. Statt feiner Dialoge gibt es nun mehr Humor der gröberen Sorte: ausgiebigen Slapstick mit klemmender Guillotine, die dann ausgerechnet doch funktioniert, als sich die lästige Mätresse hinlegt, Ausrutschen über Blutlachen und Kalauern. Das ergibt dann für die zweite Hälfte Boulevardtheater der schwächeren Sorte.

Noch bis 27. November ist der Revolutionsspaß im Schillertheater an fast jedem Abend zu sehen. Nach Weihnachten muss sich die Komödie am Kurfürstendamm erneut eine Interimsspielstätte suchen: das Schillertheater wird von der Komischen Oper als Ausweichort beansprucht, die „Komödie“ zieht ein paar Kilometer östlich direkt an den ehemaligen Mauerstreifen ins Theater am Potsdamer Platz, das im Februar alljährlich als Berlinale-Festival-Palast genutzt wird. Für 2024 ist die Rückkehr in ein neugebautes Theater am gewohnten Ort direkt am Ku´damm geplant.

Bilder: Franziska Strauss

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