Spielen! Spielen! Spielen! Theaterfest für Benno Besson

Eine Theaterlegende würdigt eine weitere Theaterlegende zum 100. Geburtstag: wenn Katharina Thalbach an ihren Vater Benno Besson erinnert, schließen sich gleich vier wichtige Institutionen des Berliner Kulturlebens zusammen. René Pollesch, einer der Nachfolger von Besson als Intendant der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz, lud das Deutsche Theater Berlin, das Berliner Ensemble und die Akademie der Künste zur Kooperation ein.

Knapp drei Stunden führte Thalbach gemeinsam mit ihren Halbbrüdern Pierre & Philippe Besson durch einen Streifzug der DDR-Theatergeschichte mit viel Archiv-Material (Fotos oder kleine Filmausschnitte aus prägenden Inszenierungen) und Zeitzeugen-Auftritten. Chronologisch begann es natürlich mit Bessons Anfängen, als der Schweizer Regisseur seinem Mentor Bertolt Brecht 1949 nach Berlin folgte und den Neustart in den Kammerspielen des Deutschen Theaters begleitete, bevor das Berliner Ensemble in den 1950er Jahren an seinen heutigen Ort am Schiffbauerdamm umzog.

Unter den vielen Texten, die an diesem langen Abend verlesen wurden, war auch das hochinteressante Dokument, in dem nach Brechts Tod das gesamte Establishment um Helene Weigel mit Besson abrechneten, dass er die Schauspieler verderbe, und ihn hinausdrängte. Als Verlierer in den Diadochenkämpfen fand er eine neue künstlerische Heimat ein paar Meter weiter am Deutschen Theater Berlin, wo ihn in Wolfgang Langhoff zum Chefregisseur machte: „Der Frieden“ (eine Neudichtung von Peter Hacks nach Aristophanes) und die Diktatur-Parabel „Der Drachen“ von Jewgeni Schwarz waren seine größten Erfolge in den 1960er Jahren, Christian Grashof durfte natürlich nicht fehlen, aber auch aus der Operette „Die schöne Helena“ wurden einige Songs von den Jazz Optimisten und den Gästen des Abends live performt.

Nach neuen Zerwürfnissen am DT zog Besson weiter an die Volksbühne: die „Spektakel“ und seine „Der gute Mensch von Sezuan“-Inszenierung stehen in den Theatergeschichtsbüchern und wurden von damaligen Ensemble-Mitgliedern wie Hildegard Alex, Hermann Beyer, Winfried Glatzeder oder Manfred Karge in Erinnerung gerufen. Das Ende dieser Ära erlebte auch Emine Sevgine Özdemir mit, die die Begegnungen in der Berliner Theater-Szene in ihren Romanen verarbeitete. Da sie an diesem Wochenende den Büchner-Preis verliehen bekommt, konnte sie nicht auf der Bühne dabei sein, Walfriede Schmitt las die Ausschnitte.

Eine längere Geburtstags-Laudatio hielt schließlich Christoph Hein. Über die Zeit nach dem nächsten Bruch mit der DDR-Nomenklatura 1977 ging der Abend jedoch recht schnell hinweg. Besson verlegte seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in die Schweiz und nach Frankreich, dazu gab es kurze Videoeinspieler von Christoph Waltz und einen Gastauftritt von Samuel Finzi. Bessons Berliner Comeback „Hase Hase“ (1992) wurde aus Zeitgründen auch nur als Fußnote erwähnt.

Thalbach führte charmant durch die Fülle ihres Schwarz-Weiß-Materials aus längst vergangenen Epochen. Ins Schleudern kam sie nur regelmäßig, wenn sie die aktuellen Gäste wie Paul Herwig, Josefin Platt oder Tamer Tahan den falschen Häusern zuordnete. Kurzfristig sprang sie auch noch für Nellie Thalbach ein:  Als fürsorgliche Großmutter schickte sie ihre Enkelin wegen einer Magenverstimmung nach Hause und trug die ihr zugedachten Textpassagen selbst vor, während Tochter Anna Thalbach einige Kilometer weiter westlich die „Marie Antoinette“ spielte. So war der Familien-Clan dann doch nicht ganz komplett.

Bild: Thomas Aurin

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