Mit fast 80 Jahren kehrt der kanadische Regisseur David Cronenberg zu seinen Wurzeln: im Cannes-Wettbewerb stellte er mit „Crimes of the Future“ einen Film vor, der in mehrfacher Hinsicht an sein Frühwerk anknüpft. Erstens schon im Titel: 1970 drehte er bereits einen Film mit demselben Namen, aber deutlich anderem Inhalt, der jedoch weniger bekannt ist als die Cronenberg-Klassiker wie „Videodrome“ (1983), „Die Fliege“ (1986), „Crash“ (1996) oder „eXistenZ“ (1999). Zweitens knüpft der neue Film thematisch an diese Body Horror-Reihe an.
Diesmal schickt er eine Starbesetzung in eine dystopische Welt: in schummrigem Halbdunkel belauern sich kolportagehafte Figuren, deren Gedanken um zwei Themen kreisen: um erotische Phantasien sowie um monströs wuchernde Organe und Missbildungen. Meist verknüpft Cronenberg dies mit in Großaufnahme aufgeschnittenen und malträtierten Körpern, wozu Léa Sydoux lasziv haucht, dass Aufgeschnitten zu werden für sie der neue Sex sei.
Die Bilder sind verstörend wie eh und je, inhaltlich wirkt die Body Horror-Tour de Force merkwürdig dünn. Die wohlwollenderen Kritiken wie von Thomas Groh im Perlentaucher sehen darin eine Art Abschiedsfilm, einen Reigen aus den wichtigsten Motiven, die in einem Erlösungsbild kulminieren. Spötter wie Dietmar Dath in der FAZ zogen ein enttäuschtes Fazit: „Crimes of the Future“ stelle in Cronenbergs Filmografie wohl das dar, was „Eyes Wide Shut“ 1999 im Œuvre Stanley Kubricks war: „eine kompakte Selbstretrospektive im schwindenden Licht einer alternden Arbeitsästhetik“.
Trotz inhaltlicher Fragezeichen lohnt sich ein Kinobesuch schon wegen der eindrucksvollen, an den Nerven zerrenden Bilder und des Star-Ensembles um Viggo Mortensen und Kristen Stewart. In Cannes ging der Film beim Wettstreit um die Palmen leer aus, seit 10. November 2022 läuft „Crimes of the Future“ in den deutschen Kinos.
Bild: © 2022 SPF (Crimes) Productions Inc. & Argonauts Crimes Productions S.A., Photo Credit Nikos Nikolopoulos