Das Himmelszelt

Ihr feministisches Thesenstück über die Zurichtung weiblicher Körper in männlichen Strukturen verlegte die Britin Lucy Kirkwood in das Jahr 1759: Sally Poppy (Kathleen Morgeneyer) steht unter Mordanklage. Ihre einzige Chance, dem Todesurteil zu entgehen, dass sie sich einer sogenannten Matronenjury aus 12 weiblichen Geschworenen stellen muss. Diese Jury muss einstimmig zu dem Urteil kommen, dass die Frau tatsächlich schwanger ist und somit bei ihrer Hinrichtung auch der unschuldige Embryo sterben würde.

Nach einer etwas langatmigen Exposition wogt die Beratung der Jurorinnen fast drei Stunden hin und her. Der Plot nimmt einige aberwitzige Wendungen, die oft arg konstruiert oder kolportagehaft wirken. Schon bei der deutschsprachigen Erstaufführung von „Das Himmelszelt“ am Wiener Akademietheater im Spätsommer 2020 legte Nachtkritikerin Gabi Hift den Finger in die Wunde des Stück-Texts: die Entwicklung des Plots und urplötzlich auftauchende „Leichen im Keller“ der Jury-Mitglieder wirken oft nicht sonderlich glaubwürdig.

Diese Schwäche der Stückvorlage versucht Jette Steckel bei der deutschen Erstaufführung am DT mit einem exzellenten Ensemble zu überdecken: Kathleen Morgeneyer und Maren Eggert (als Hebamme Elizabth Luke) in den Hauptrollen bekamen weitere arrivierte Spielerinnen des Hauses wie Almut Zilcher, Franziska Machens, Linda Pöppel und Anja Schneider an ihre Seite gestellt, hinzu kommen noch hochkarätige Gäste wie Karin Neuhäuser, Birte Schnöink und Ursula Werner. Diese Damen-Riege absolviert gewaltige Textmassen, einige der Promis kommen nur recht knapp zu Wort, statt markanter Charaktere wirken sie eher wie Thesenträgerinnen und Schachbrettfiguren für die nächsten Plot Twists der Autorin.

In der betont düsteren Lichtregie von Matthias Vogel hält das Geschworenen-Drama jedoch nicht durchweg seinen Spannungsbogen: zu abrupt sind manche Wendungen, zu unterfordert wirken manche Akteurinnen. Schon nach der feministischen Anlage des Stücks sind die beiden einzigen Männer auf der Bühne (Manuel Harder als Gerichtsdiener, der wiederholt zum Stummsein ermahnt wird, und Enno Trebs in einer Doppelrolle als Mann der Angeklagten und Arzt, der die Schwangerschaft attestiert) nur Staffage. Die stärsten Momente des zu langen Abends sind die kleinen Choreografien von Dominika Knapik, die regelmäßig mit ihrer polnischen Landsfrau Ewelina Marciniak zusammenarbeitet und diesmal neben ihrer choreografischen Arbeit auch als Spielerin im Jury-Ensemble auf der Bühne steht.

Bilder: Arno Declair

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