Wie von Mia Hansen-Løve gewohnt ist die Handlung ihres neuen Films „An einem schönen Morgen/Un beau matin“ ziemlich unspektakulär: er folgt knapp zwei Stunden dem Alltag einer Frau, einer alleinerziehenden Übersetzerin aus dem Pariser Bildungsbürgertum, dem bevorzugten Schauplatz der Filme von Hansen-Løve.
Durch zwei Ereignisse wird das Leben von Sandra (Léa Seydoux) kompliziert: ihr Vater, ein Philosophie-Professor, leidet an einer demenzartigen Erkrankung und wird zum Pflegefall. Anfangs kümmert sich die Tochter noch in seiner Wohnung um ihn, doch die zwei Stunden werden auch zu einer Odyssee durch Krankenhäuser und Pflegeheime, die mehr wie Verwahrstationen wirken. Verflochten wird dieser Erzählstrang mit Sandras Affäre mit Clément (Melvil Poupaud), einem langjährigen platonischen Freund, der hin und hergerissen ist zwischen seiner Verantwortung für Frau und Kind und seiner Verliebtheit.
Die Regisseurin erzählt dies sehr unaufgeregt, in einem melancholisch dahinfließenden Erzählton, wie wir ihn aus vielen anderen französischen Melodramen kennen. Schon mehr als ein Jahrzehnt ist Mia Hansen-Løve ein Liebling der Festivals. Ihr neuer Film hatte seine Premiere in Cannes, lief aber anders als „Bergman Island“ diesmal nicht im Wettbewerb, sondern in der Nebenreihe „Quinzaine des réalisezeurs“, von dort setzte er zu einer Tour über zahlreiche Festivals (darunter Telluride, New York, San Sebastian, Zürich, Busan, Wien). Am 1. Dezember wird „An einem schönen Morgen“ das 14films-Festival in der Berliner Kulturbrauerei eröffnen, bevor er eine Woche später in den Programmkinos startet. Kurz danach war Léa Seydoux auch als beste Hauptdarstellerin für den Europäischen Filmpreis 2022 nominiert, konnte sich aber nicht gegen Vicky Krieps durchsetzen.
Bild: Les Films Pelleas