Joyland

Sehr viel hat sich Saim Sadiq für sein Langfilm-Debüt vorgenommen: er führt in knapp zwei Stunden so viele Figuren ein, dass das Publikum fast den Überblick verliert und auch der Regisseur sichtlich Mühe hat, sich zwischen all den Erzählfäden nicht zu verzetteln.

Den meisten Figuren ist eines gemeinsam: sie leiden unter den engen Fesseln der patriarchalen Strukturen. Am weitesten hat sich die Transgender-Tänzerin Biba (Alina Khan) gelöst. Mit ihrem selbstbewussten Auftreten und oft fast schon rotziger Sprache erkämpft sie sich ihren Platz in der männerdominierten Gesellschaft. Sie wird zum Vorbild für Haider (Ali Junejo), der unter der Knute des Patriarchen steht, der ungeduldig darauf wartet, dass er endlich einen Enkel zeugt und wieder Arbeit findet. So unter Druck gesetzt nimmt Haider anfangs widerwillig den Job als Background-Tänzer von Biba im Nachtclub an. Im Mittelteil des Films, der schöne Empowerment-Szenen bietet, tanzt er sich frei und beginnt eine Affäre mit Biba.

Zur dritten Hauptfigur entwickelt sich Haiders Frau Mumtaz (Rasti Farooq): solange Haider perspektivlos zu Hause saß, verdiente sie das Geld. Doch je mehr Freiheiten sich Haider nimmt, desto prekärer wird es für Mumtaz. Sie wird in die traditionelle Rolle von Hausfrau und Mutter und startet im zunehmend düster werdenden Schluss-Teil des Films einen letzten, vergeblichen Ausbruchs-Versuch.

Vor allem im letzten Drittel droht Sadiqs Debüt, der auch der erste pakistanische Film überhaupt war, der nach Cannes eingeladen war, die Luft auszugehen. Mit zu vielen Bällen versucht er gleichzeitig zu jonglieren. Dennoch ist „Joyland“ ein vielversprechendes Erstlingswerk, das bei aller erzählerischen Konventionalität und trotz dramaturgischer Ungereimtheiten vor allem als spannender Einblick in politische und gesellschaftliche Strukturen in der islamischen Welt sehenswert ist.

Nach der Premiere in der Cannes-Sektion „Un certain regard“ lief „Joyland“ beim Internationalen Film-Festival Mannheim-Heidelberg erstmals in Deutschland.

„Joyland“ startet am 9. November 2023 in den deutschen Kinos.

Bild: All Caps

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert