So einen ungewöhnlichen Abschlussfilm gibt es selten: Sophie Linnenbaums „The Ordinaries“ sprüht vor Witz und Ideen, die auch über die beachtliche Länge von zwei Stunden tragen, und hat bereits eine erstaunliche Reife.

Als Meta-Komödie über das Medium Film ist „The Ordinaries“ angelegt, es funktioniert aber auch als Coming-of-age-Geschichte der jungen Heldin auf der Suche nach dem abwesenden Vater und als bissiger Kommentar zu Klassismus-Strukturen. Hauptfigur Paula (Fine Sendel) steht kurz vor dem Abschluss. Sie strebt eine steile Karriere an: die letzten Prüfungen an der Schule für Hauptfiguren stehen an. Nur wer ganz große Emotionen und hollywoodreife Film-Scores bietet, kann hier bestehen.

Die Arroganz an dieser Kaderschmiede ist gewaltig: auf die Nebenfiguren blickt man voller Verachtung herab. Zu dieser bedauernswerten Spezies zählt Paulas Mutter (Jule Böwe, die Schaubühnen-Expertin für skurrile Randfiguren). Selbst in den Gesprächen mit ihrer Tochter hat sie nur ein ganz geringes Repertoire an floskelhaften Sätzen. „Ich habe mir Sorgen gemacht“, seufzt sie immer wieder. Wie viel bunter und elaborierter geht es dagegen bei der Familie von Paulas Kommiltionin zu: jedes Abendessen wird zur großen, gefühlsbetonten Musical-Show. Dort lernt Paula jedoch auch Hilde kennen, eine „Fehlbesetzung“, die sich um den Haushalt der Glamour-Stars kümmert.

Hilde führt Paula in die Parallel-Welt der „Outtakes“, der „Schwarz-Weiß-Figuren“ ein, die im Untergrund ihr prekäres Dasein fristen und immer wieder Aufstände proben. Von ihrer Mutter wurde Paula immer wieder eingetrichert, dass ihr Vater ein ganz hervorragender Hauptdarsteller gewesen, aber im heldenhaften Kampf gegen Aufständische gestorben sei. Seltsam, dass Paula im nationalen Archiv gar nichts über ihn finden kann. Zwischen den Vorbereitungen auf die letzte Prüfung schleicht sie sich immer wieder in die dunklen Parallel-Welten auf der Suche nach ihrem Vater und ihren Wurzeln.

„The Ordinaries“ wurde als Koproduktion mit der ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ an der Filmhochschule produziert und bereits mit Preisen überhäuft: beim Filmfest München gewann Sophie Linnenbaum den Förderpreis Neues Deutsches Kino und den Preis für die Beste Regie in dieser Sektion. Neben dem First Steps Award 2022 für den besten abendfüllenden Spielfilm folgten diverse Festival-Einladungen z.B. nach Karlovy Vary oder Zürich. An diesem Wochenende wurde „The Ordinaries“ bei „Around the World in 14 films“ in der Berliner Kulturbrauerei präsentiert, der Kinostart ist für Frühjahr 2023 geplant.

Bild: © Bandenfilm, Foto JL Walter

 

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