Weißes Rauschen

Wenn man schon glaubt, diese satirische Dystopie von Noah Baumbach könnte kaum durchgeknallter und skurriller werden, biegen zwei deutsche Stars in kleinen Gastrollen um die Ecke: Lars Eidinger geht in seiner Lieblingsrolle als manisch Tobender auf, er spielt den Dealer einer dubiosen Droge, die die Angst vor dem Tod nehmen soll, aber vor allem zu Wahnvorstellungen und Bewusstseinsstörungen führt. Barbara Sukowa legt einen Auftritt als blasphemische Nonne nach.

Bis zu diesem Kolportage-Drogendealer-Krimi-Strang hat „Weißes Rauschen“ schon zwei Metamorphosen hinter sich: es beginnt als ironische Milieustudie einer Patchworck-Familie um den College-Professor Jack Gladney und seine nicht weniger überspannte Frau Babette, die von den Baumbach-Lieblingsschauspielern Adam Driver und Greta Gerwig verkörpert werden. Hinzu kommt eine Prise Uni-Satire: Gladney ist eine Koryphäe im Fach „Hitler Studies“, besitzt aber nicht mal Deutschkenntnisse, ähnlich aufgeblasen ist der selbsternannte Elvis-Experte Murray Siskind (Don Cheadle).

Bild: Netflix © 2022

Im Mittelteil wird „Weißes Rauschen“ zum klassischen Katastrophenfilm: eine Giftwolke zwingt die Suburb-Bewohner auf die Flucht, die Highways sind schnell verstopft. Diese alles andere als neuen Motive verfilmt Baumbach mit großem Budget neu. Der Gladney-Sohn Heinrich (Sam Nivola) hat hier seinen großen Karl Lauterbach-Krisen-Cheferklärer-Moment. In der Quarantäne-Notstation bildet sich eine Traube um ihn und seine eloquenten Ausführungen über die toxischen Substanzen.

„Weißes Rauschen“ ist aber keine unmittelbare Reaktion auf die Corona-Pandemie und ihre medialen Erregungszyklen, sondern die Adaption des mittlerweile fast vier Jahrzehnte alten, gleichnamigen Romans von Don DeLillo (1985).

Im letzten Drittel zerfasert der mehr als zweistündige Film zusehends, bis er in ein Supermarkt-Musical-Ballett während des mehrminütigen Abspanns mündet. Das Netflix-Prestige-Projekt eröffnete das dritte A-Festival des Jahres in Venedig, lief kurz danach auch auf dem New York Film Festival und kurz vor Weihnachten im Kino, bevor es ab dem 30. Dezember bei dem Streaming-Dienst zu sehen sein wird.

Bild: Wilson Webb / Netflix ©2022

 

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