Diese wortkarge Liebesgeschichte vor schroffer Alpenkulisse ist einer der Filme, die vom aktuellen Berlinale-Jahrgang in Erinnerung bleiben. Michael Kochs Debüt (Drehbuch und Regie) lebt von der hervorragend eingefangenen Berg-Kulisse, die Armin Dierolfs Kamera in das 4:3-Format presst, und dem Laienschauspieler-Ensemble aus Bergbauern. Die Jury verlieh ihm im Februar 2022 zwar keinen der Bären, aber gab immerhin eine lobende Erwähnung.
Im Zentrum dieses packenden Films steht die tragisch scheiternde Liebesgeschichte der alleinerziehenden Anna (Michèle Brand) mit dem Hilfsarbeiter Marco (Simon Wisler). Der bullige Typ aus dem Flachland wird von den Einheimischen von Beginn an schief angesehen, aber seine zupackende Art bringt ihm anfangs Wertschätzung ein. Als ein Gehirntumor seine Persönlichkeit verändert und ihm auch noch Missbrauch seiner Stieftochter Julia vorgeworfen wird, verstößt ihn die Dorfgemeinschaft als Outlaw.
Sehr langsam erzählt Koch, elliptisch brechen die Szenen ab und doch entfalten diese „stillen Tableaus“, wie Christiane Peitz im Tagesspiegel lobte, ihre eigene Poesie und Dringlichkeit. Mehr als zwei Stunden dauert dieses Bergdorf-Drama, doch der Film zieht die Zuschauer in seinen Bann: „ein Klotz von einem Film, der sich im gegenwärtigen Superheldenavatarkino so fremd, wuchtig und kantig ausnimmt wie der Fels, der gleich zu Anfang des Films im Vordergrund eines Landschaftsbildes liegt“, wie Martina Knoben in der SZ so schön schrieb. Konsequenterweise geht die Schweiz damit in das Oscar-Rennen um den besten nicht-englischsprachigen Film.
Im letzten Drittel, als sich Anna entscheiden muss, franst der Film etwas aus, bis dahin verknüpft er seine Geschichte von der zunehmend schwieriger werdenden Beziehung mit fast dokumentarisch wirkenden Aufnahmen des rauhen Alltags in dem Bergdorf. Trotz aller bedrückenden Momente hat „Drei Winter“ auch einige skurrile Einfälle und Passagen unterhaltsamer Leichtigkeit: der Chor Luzern kommentiert das Geschehen im Stil der griechischen Tragödie und ein Bollywood-Liebespaar bieter einen kleinen Comic Relief-Moment in all der Ausweglosigkeit.
„Drei Winter“ startete am 15. Dezember 2022 in einigen Programmkinos.
Bild: Filmverleih Grandfilm