Spätestens um 21.43 Uhr steht der Mörder fest, dann räumt der „Tatort“ seinen Sendeplatz und nach dem Abspann beginnt Anne Will ihren Talk. Das echte Leben ist jedoch komplizierter als Sonntagskrimi-Rituale: einen der vielen ungelösten Mordfälle hat sich Dominik Moll in seinem Film „In der Nacht des 12.“ („La nuit de 12“) vorgenommen. Schon im Vorspann macht er klar: die folgenden knapp zwei Kino-Stunden beruhen auf einer wahren Begebenheit aus einem Sachbuch von Pauline Guéna. Am Ende wird die Kriminalpolizei weiter im Dunkeln tappen.
Mit dem Mord an Clara, die die Party ihrer Freundin verlässt, wo ihr ein Maskierter auflauert und sie mit Benzin übergießt und abfackelt, beginnt der Film. Der junge Polizist Yohan (Bastien Bouillon) und sein alter Haudegen-Kollege (Boulil Lanners) versuchen anschließend, in zahllosen Befragungen Schneisen durch das Dickicht der Hinweise zu schlagen. Klarer wird, dass Clara diverse Affären hatte. Eifersucht wäre ein Motiv, doch alle Ermittlungsansätze verlaufen im Sand, die potentiellen Täter haben ein Alibi. Daran ändert sich auch nichts, als die neue Untersuchungsrichterin (Anouk Grinberg) drei Jahre später eine Wiederaufnahme der Ermittlungen anordnet. Im Dialog mit Yohan zieht sie ein ernüchtertes Fazit, im Drehbuch, das Regisseur Moll gemeinsam mit Gilles Marchand geschrieben hat, hat sie vor allem die Funktion, die feministische Verzweiflung über Morde an Frauen auszusprechen. Hier wird der Krimi dann zum Thesenfilm.
Unterkühlt folgte er bis dahin der Ermittlungsarbeit, leitmotivisch strampelt sich Yohan auf der ovalen Radbahn ab, das Grübeln über den Fall verfolgt ihn auch in den Feierabend. Mit Dominik Grafs Stil wurde die Regiehandschrift seines Vornamens-Vetters Dominik Moll in diesem französischen Film verglichen. Nach der Präsentation in der neu geschaffenen Sektion „Cannes Premières“ lief „In der Nacht des 12.“ beim Filmfest Hamburg und startete in dieser Woche in einigen Programmkinos.
Bild: Fanny de Gouville / Ascot Elite Entertainment