Mit einem intensiven Kammerspiel wurde Ilker Çatak ins Panorama der Berlinale eingeladen. Sein Film „Das Lehrerzimmer“ führt eine junge Lehrerin ein, die auf den ersten Blick so wirkt, wie man es sich nur wünschen kann: Carla Nowak (29) ist engagiert, kompetent, einfühlsam und fair. Als es zu einem ersten Diebstahl an der Schule kommt, wendet sie sich gegen das autoritäre Durchgreifen der Schullleiterin Dr. Böhm (Anne-Kathrin Gummich), die für eine „Null-Toleranz-Politik“ steht, wie sie immer wieder betont.
Auf die schiefe Ebene gerät die Nachwuchs-Lehrkraft, als sie mit der Laptop-Cam heimlich filmt, wie sich in ihrer Abwesenheit jemand an ihrer Jacke im Lehrerzimmer zu schaffen macht. Die Indizien und die gepunktete Bluse deuten auf Friedrike Kuhn (Eva Löbau), die gute Seele im Sekretariat des Gymnasiums, hin. Die Konstruktion des Films will es so, dass Kuhns 13jähriger Sohn Oskar (Leonard Stettnisch) in Nowaks Klasse sitzt.
Die Spirale aus Vermutungen, Anschuldigungen, vehementem Abstreiten und allgemeiner Hilflosigkeit ist über knapp 100 Minuten spannend anzusehen. Die Schülerzeitungs-Redaktion heizt mit einem Artikel die Konflikte weiter an, die Direktorin ist ebenso überfordert wie die Lehrer*innen. Die anfangs so souveräne Carla Nowak verliert den Boden unter den Füßen.
Es ist jedoch zu hoffen, dass an einem realen Gymnasium professioneller mit den Diebstählen umgegangen würde und sich die Beteiligten nicht gar so unbedarft in Sackgassen verrennen.
Nach der Premiere auf der Berlinale startete „Das Lehrerzimmer“ am 4. Mai 2023 in den Kinos, räumte 5 Lolas ab (bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester Schnitt und beste Hauptdarstellerin) und war zum Festival in Toronto eingeladen. Überraschend schaffte es der Film auch auf die Shortlist der besten 5 Filme, die um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film 2024 konkurrierten.
Bild: Alamode Film