Beethoven 7

Mit wummernden Bässen, ganz unklassisch, beginnt der neue Doppelabend von Sasha Waltz, der „Beethoven 7“ überschrieben ist. Diego Noguera, ein in Berlin lebender Chilene, steht live am Mischpult und erhöht die Dosis langsam. Anfangs staksen die Tänzer*innen mit Alien-Masken tastend durch den Bühnen-Nebel zu sphärischen Klängen. Immer dringlicher und lauter werden die Beats, die Empfehlung, zu Ohrstöpseln zu greifen, ist sehr angebracht, die Elektro-Komposition schüttelt Ensemble und Publikum durch.

„Freiheit/Extasis“ ist das Auftragswerk von Noguera überschrieben: zuckende Körper in der Revolte. Der Bühnen-Nebel erinnert an das Tränengas bei den Protesten in Tiflis, das gestern bei einem „Radar Ost“-Gastspiel in einem Video-Einspieler zu sehen war. Später formiert sich das Ensemble zu einem ekstatischen Rave, das nicht weit entfernte Berghain grüßt herüber.

Nach der Pause das Kontrastprogramm: Beethovens 7. Sinfonie, in einer Einspielung von Teodor Currentzis, mit dem Sasha Waltz & Guests bereits 2021 bei einer arte-Produktion zum Beethoven-Jubiläumsjahr in  Delphi zusammenarbeiteten. Waltz gelingt es in dieser Choreographie, die klassische Formstrenge mit einer unerwarteten Leichtigkeit abzufedern. Manche Bewegungen lassen Anklänge an den Street Dance durchschimmern, wenn das Ensemble springt und jubelt.

Im Zeitalter der Befreiungskriege und der aufkeimenden Nationalbewegungen komponierte Beethoven seine 7. Sinfonie. Eine weiße, transparente Flagge schwenkt eine Tänzerin, bewusst verzichtet Waltz auf die üblichen Nationalfarben, auch dies ein interessanter Kontrast zum Fahnen-Schwenken und „Slava, Ukraini“-Rufen, in das an diesem Wochenende jedes osteuropäische Gastspiel am DT Berlin mündete.

Zu Assoziationen und Gedanken rund um Freiheitskampf, Nationalstolz und Nationalismus lädt dieser Doppelabend von Sasha Waltz ein, der Ende August/Anfang September wieder im Radialsystem zu erleben sein wird.

Bilder: Sebastian Bolesch

 

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